Krampus: Im Zeichen des Teufels

Zwar ist dem Teufel aus nachvollziehbaren Gründen kein eigener Feiertag gewidmet, der Krampustag steht dennoch unbestreitbar im Zeichen des Bösen. Der Historiker Kurt Flasch hat sich dem „Teufel und seinen Engeln“ in einem Buch genähert.

Wenn auch heuer wieder zahlreiche Krampusse durchs vorwiegend ländliche Österreich ziehen, um Kinder zu erschrecken und junge Frauen zu verprügeln, wird manch einem wieder klar werden, welchen Urahn der Begleiter des freundlichen St. Nikolaus hat: den Teufel. Folgerichtig heißt der Krampus etwa in Tirol „Tuifl“. Die grässlichen Fratzen und wüsten Verkleidungen, in denen vor allem junge Burschen stecken, haben ihre Vorbilder in der Kunst des Mittelalters und der Neuzeit - einer Zeit, als der Glaube an den Teufel in Europa noch weit verbreitet war.

Als Krampus verkleideter Mann vor rotem Hintergrund

Reuters/David W Cerny

Der Krampus: Überbleibsel des alten Teufelsglaubens

Der Historiker Flasch, dessen Spezialgebiet das historische Christentum ist („Warum ich kein Christ bin“, 2013), begibt sich in seinem kürzlich erschienenen Buch auf eine Spurensuche nach den Wurzeln des Teufels. Seinen Ursprungsort sieht Flasch im Orient, seine lange „Karriere“ jedoch erlebte der Gottseibeiuns überwiegend in Europa. Seine Wurzeln liegen im Judentum mit Einflüssen aus dem persisch-zoroastrischenen Kulturbereich. Flasch hat die Genese seines Protagonisten in den biblischen Texten sowie den Schriften der griechischen Philosophen und der christlichen Kirchenväter verfolgt.

Satan: Eine Karriere mit Höhe- und Tiefpunkten

So kann er nachweisen, dass Satan (hebräisch: Gegner oder Ankläger; das Wort Teufel leitet sich vom griechischen „Diabolos“ - Verwirrer, Verleumder - ab) in der Bibel zwar eigentlich erstmals im Buch Hiob auftritt - hier ist er lediglich eine Art Bote Gottes, ein Verführer in seinem Auftrag sozusagen -, ihn aber spätere Erörterungen mit der Schlange gleichsetzten, die Adam und Eva im Paradies zum Ungehorsam gegen Gott verleitete. Der Teufel wäre also von Anbeginn der Menschheitsgeschichte dabei gewesen.

Ungeklärt ist die zeitliche Einordnung seiner Vorgeschichte, vor allem der Sturz aus dem Himmel. Jesus habe ihn laut dem Neuen Testament „wie einen Blitz vom Himmel fallen" (Lk 10,18) sehen, schreibt Flasch - dass der Teufel zu Jesu Lebzeiten in Ungnade und in die Tiefen der Hölle gefallen ist, stehe allerdings in rätselhaftem Widerspruch zu zahlreichen anderen Texten. Etwa bei 1. Petrus 5,8 heißt es: "... euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe ...“ An anderer Stelle sage die Bibel, der Teufel liege bis zum Jüngsten Gericht gefesselt in der Hölle.

Ausschnitt aus "Darstellung der guten und schlechten Regierung" im Rathaus in Siena von Ambrogio Lorenzetti (um 1290 bis 1348)

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Der Teufel als weltlicher Herrscher: Ausschnitt aus „Darstellung der schlechten Regierung“ im Rathaus in Siena von Ambrogio Lorenzetti (um 1290 bis 1348)

Viel Zeit und Denkarbeit widmeten Philosophen der Antike bis zu den Kirchenvätern und mittelalterlichen Scholastikern der Frage nach der stofflichen Zusammensetzung des Teufels. So galt er, ebenso wie Engel und Dämonen, die den antiken Gelehrten übrigens noch austauschbar und wesensverwandt waren, als Wesen mit einem Köper - wenn auch einem Körper aus „Äther“ oder Luft. Diese Auffassung, die etwa Augustinus (354 bis 430) vertrat, begann sich etwa im 12. Jahrhundert zu wandeln: Nun galt Satan, ebenso wie Engel und auch Gott, als rein geistiges Wesen. Thomas von Aquin (1225 bis 1274) gehört zu den prominentesten Vertretern dieser Sichtweise des Teufels, wie Flasch ausführlich darlegt.

„Dämonenjäger“ und „Teufelssöhne“

Das Austreiben von Dämonen war von Anfang an ein bedeutender Grundpfeiler des Christentums - auch Jesus tritt in der Bibel vielfach als „Dämonenjäger“ auf. Im ersten Jahrhundert bildeten die Teufelsaustreiber innerhalb des Klerus eine wichtige Gruppe, einen eigenen „Stand“, wie Flasch ausführt. Schon in der Frühzeit des Christentums diente der „Böse“ dem Zusammenhalt der Christen gegen äußere Einflüsse und Feinde, aber auch zur Abgrenzung gegen „Juden, die den Ruf des Messias nicht hören“, sie wurden als „Teufelssöhne“ verdammt. Hier wurde der christliche Antijudaismus mit allen seinen späteren Ausformungen begründet.

Buchcover "Der Teufel und seine Engel" von Kurt Flasch

C. H. Beck Verlag

Buchhinweis

Kurt Flasch: Der Teufel und seine Engel. Die neue Biographie. C. H. Beck Verlag, 462 Seiten, 27,80 Euro

Mit dem aufkommenden Hexenwahn begann man sich im Spätmittelalter verstärkt mit diabolischen Techniken wie Besessenheit, sexuellem Verkehr mit Teufel und Dämonen und Schadenszaubern zu befassen. Wegbereiter für die mit unfassbarer Grausamkeit betriebenen Hexenprozesse waren die beiden einflussreichen Kirchenväter Augustinus und Thomas von Aquin, die in ihren Schriften eine Grundlage für den späteren „Umgang“ mit dem Teufel und seinesgleichen legten.

Als besonders anfällig für Dämonenzauber und die Verlockungen der sündhaften Sexualität galten Frauen - sie waren denn auch die Hauptleidträgerinnen von Inquisition und Hexenverfolgung. Flasch spricht in dem Zusammenhang schlicht von „Sexismus“. Dass gerade die Neuzeit, die sich den Naturwissenschaften zuwandte und das „Zeitalter der Vernunft“ einläutete, die brutalsten Auswüchse der Hexenverfolgung sah, findet auch Flasch nicht leicht zu erklären.

Wer sich fürchtet, muckt nicht auf

Doch für den Fürsten der Finsternis gab es immer genug Existenzberechtigung: „In der frühen Neuzeit brauchten die zerstrittenen Konfessionen den Teufel, um ihre Gegner als Gottesfeinde darzustellen.“ Für die kirchliche wie die weltliche Obrigkeit bedeuteten der Teufel und seine „Engel“ sowie die detailliert ausgemalten Schrecken der Hölle ein Mittel zum Erhalt von Autorität: Wer sich vor der Hölle fürchtet, ist gehorsam, muckt nicht auf und benimmt sich im Großen und Ganzen so, wie es Kirche und König gern haben wollen.

Ausschnitt aus "Hölle" aus "Der Garten der Lüste" von Hieronymus Bosch (1450 bis 1516)

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Angstvisionen: „Hölle“ von Hieronymus Bosch (1450 bis 1516), Ausschnitt

Zum Kasperl degradiert

Auch der Protestantismus, der sich im Laufe des 16. Jahrhunderts etablierte, machte mit dem Teufelsglauben keineswegs Schluss: „Luther glaubte fest an den Teufel und seine Macht und befand sich in einem fortwährenden Kampfe mit ihm“, zitiert der Autor den evangelischen Theologen August Wünsche (1838 bis 1912). Theologen forschten und stritten während der Neuzeit über Existenz und Wege Satans. Neben dem Aufschwung von Wissenschaft, Medizin, Literatur und Philosophie haben wohl auch Theaterstücke und Volkskunst ihren Beitrag zur Marginalisierung des Teufels geleistet: In dem Kasperl ähnlichen Figuren zum Deppen erniedrigt, dem man gerne und oft auf den Kopf haut, in Volksmärchen und Sagen von klugen Bäuerinnen ausgetrickst, verlor der Teufel im „einfachen“ Volk viel von seinem Schrecken, so Flasch.

Ein Übriges taten Denker wie Jean-Jacques Rousseau (1712 bis 1778) und Dichter der Aufklärung wie Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832). Dessen speziellem Teufel, Mephisto aus dem „Faust“, widmet Flasch ein ganzes Kapitel. Der Teufelsglaube verlor in Europa zunehmend an Boden. So schrieb etwa der deutsche Dichter Jean Paul (1763 bis 1825): „Man braucht nicht zu glauben, daß der Teufel existiert.“ Ein letztes Aufflammen der klassischen „Satanologie“ stellte der „Teufelsstreit“ zwischen Diabolisten und Antidiabolisten in der evangelischen Theologie des 18. Jahrhunderts dar. Danach ist es rund um den „Bösen“ weitgehend ruhig geworden.

Heute nur noch zum „Aufpeppen“

In der heutigen Zeit habe der Teufel nur noch „sehr eingeschränkte Funktionen“, so Flasch. Allerdings brauchten ihn noch „die wenigen um ihren Stil besorgten Prediger: Er peppt die meist langweilige christliche Verkündigung etwas auf“, kommentiert der Historiker etwas sarkastisch. Doch: „Er hat einen Großteil seiner alten Funktionen für die Menschheit verloren.“

Flasch schafft es, auch in theologisch-philosophischen Diskursen einen lesbaren Ton anzuschlagen, vieles liest sich ausgesprochen unterhaltsam. Dabei ist „Der Teufel und seine Engel“ genauestens recherchiert und auf höchstem wissenschaftlichen Niveau geschrieben. Der ironisch-distanzierte Unterton, der an einigen Stellen fast schon belustigt wirkt, tut dem düsteren Thema sehr gut.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at