Papst: Kondomfrage stellt Kirche vor „Dilemma“

Anlässlich des Welt-Aids-Tags am Dienstag hat Papst Franziskus eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die ablehnende Haltung der katholischen Kirche gegenüber Kondomen angedeutet.

Die Frage, ob der Gebrauch von Kondomen zur Vermeidung von HIV-Infektionen erlaubt werden solle, stelle die Kirche vor ein „Dilemma“, sagte Franziskus während des Rückflugs nach Rom nach Abschluss seiner mehrtägigen Afrikareise. Es gelte, das Gebot der Enthaltsamkeit gegen das Verbot des Tötens abzuwägen. Es gehe darum, „das Leben zu verteidigen, oder den Geschlechtsverkehr, aus dem das Leben kommt“.

Papst Franziskus auf dem Rückflug von Afrika mit Journalisten

APA/EPA/Daniel Dal Zennaro/Pool

Die römisch-katholische Kirche stecke in einem Dilemma, sagte Papst Franziskus angesichts der Kondom-Frage im Zusammenhang mit Aids

Konkrete Aussage blieb aus

Franziskus vermied eine konkrete Antwort auf die Frage, ob die Kirche angesichts der hohen HIV-Infektionsraten in Afrika ihre Haltung ändern sollte. Er antwortete mit einem vielsagenden Bibel-Gleichnis. Jesus sei einmal gefragt worden, ob es zulässig sei, am Sabbat Menschen zu heilen. „Es ist eine Pflicht, zu heilen“, sagte Franziskus. Erst wenn alle geheilt seien, „in dieser Welt können wir dann vom Samstag sprechen“. Der Papst sagte aber auch, es gebe größere Probleme wie soziale Ungleichheit, Hunger und Kriege.

Die vom HI-Virus verursachte Immunschwächekrankheit Aids ist in Afrika die Todesursache Nummer eins bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren, weltweit ist es die Nummer zwei. Jede Stunde stecken sich laut Unicef weltweit 26 Menschen mit dem HI-Virus an. Die katholische Kirche lehnt Verhütungsmittel ab.

„Terroristen produzieren keine Waffen“

Befragt zum Konflikt zwischen Russland und der Türkei sagte Franziskus, er könne nur sagen, „Kriege sind Sünde. Kriege richten sich gegen die Menschheit, zerstören die Menschheit“. Es stelle sich in anderem Kontext auch die Frage, woher Terroristen ihre Waffen haben: „Sie produzieren keine.“

Eine pauschale Verurteilung des Islam müsse aber abgelehnt werden, so der Papst Der Fundamentalismus sei eine „Krankheit, die es in allen Religionen gibt“, sagte er. Man könne nicht eine ganze Religion für verkehrt erklären, nur weil es „zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte einige oder viele fundamentalistische Gruppen gegeben hat“. Auch Christen hätten Religionskriege geführt. Als Beispiele nannte Franziskus den Dreißigjährigen Krieg und die Bartholomäusnacht in Frankreich 1572. Es seien auch nicht Muslime gewesen, die 1527 Rom geplündert hätten, sondern christliche Soldaten von Kaiser Karl V.

Klima-Konferenzen „brachten bisher wenig“

„Die Muslime haben viele Werte; diese Werte sind konstruktiv“, sagte Franziskus weiter, etwa das Gebet und das Fasten. Er selbst habe einen muslimischen Freund. Zugleich verurteilte der 78-Jährige jede Form von religiösem Fundamentalismus. Dieser sei nicht religiös, „weil ihm Gott fehlt“. Zum Klimawandel sagte der Papst, er hoffe auf einen Erfolg der Weltklimakonferenz. Er sei sich nicht sicher, dass die Teilnehmer etwas erreichen würden, aber er vertraue darauf, „denn sie sind guten Willens, und ich bete dafür“. Bisher hätten solche Weltklima-Konferenzen nur wenig gebracht, so Franziskus.

Afrika „Märtyrer der Ausbeutung“

Der Papst sagte weiter, er wolle zum Abschluss des Pressegesprächs das Wort für Afrika ergreifen. Afrika sei „ein Opfer auswärtiger Mächte“. Diese hätten es nur auf die großen Reichtümer des Kontinents abgesehen und seien nicht an einer Entwicklung der einheimischen Bevölkerung interessiert. Afrika sei heute wie früher „ein Märtyrer der Ausbeutung“. Er verwies auf die afrikanischen Sklaven, die im 17. bis 19. Jahrhundert in die USA gebracht wurden. Wer sage, es gebe in Afrika nur Kriege und Konflikte, der habe nicht erkannt, was für einen Schaden für die Menschheit Ausbeutung anrichte, so Franziskus weiter.

Papst Franziskus küsst ein Kind in einem Flüchtlingslager in der Zentralafrikanischen Republik

Reuters/Stefano Rellandini

Papst Franziskus in einem Flüchtlingslager in der Zentralafrikanischen Republik

Der Papst sagte, ohne Richtungsänderung würden Armut, Elend und Kriege weitergehen und Kinder durch Hunger und Ungerechtigkeit sterben. 80 Prozent der Reichtümer der Welt seien in der Hand kleiner Eliten. Diese Kritik „ist keine Kommunismus, sondern die Wahrheit“. Auf die Frage, ob er Afrika ein weiteres Mal besuchen werde, antwortete der Papst, das wisse er nicht. „Ich bin alt. Reisen sind anstrengend.“ Stationen seiner sechstägigen Afrikareise waren Kenia, Uganda und die Zentralafrikanische Republik.

Papst wegen „Vatileaks“ nicht besorgt

Wegen des Skandals um die Entwendung vertraulicher Dokumente über finanzielle Missstände im Vatikan zeigte der Papst sich nicht besorgt. Das bereite ihm keine schlaflosen Nächte, sagte er in dem Gespräch mit Journalisten.

Er gab zu, dass es ein Fehler gewesen seien, den im Vatikan inhaftierten spanischen Prälaten Lucio Angel Vellajo Balda und die ebenfalls angeklagte PR-Agentin Francesca Chaouqui in die Prüfungskommission für Wirtschaftsfragen COSEA zu hieven. Balda sei zum Mitglied der Kommission ernannt worden, weil er Sekretär der Präfektur für Wirtschaftsangelegenheiten war. Dieser habe dann Chaouqui ernannt. Der Skandal bezeuge, dass im vatikanischen Finanzbereich der Reformprozess voranschreite, meinte der Papst. Hier gehe es darum, den Reformweg fortzusetzen, wegen dem Papst Benedikt XVI. gewählt worden sei.

Gefahr der „Verleumdung“ und Desinformation

Der Papst verteidigte die Medienfreiheit. Medien hätten die Pflicht, Korruptionsfälle zu melden, sie müssten sich jedoch vor den Gefahren der „Verleumdung und der Desinformation“ in Acht nehmen. Der vor einer Woche begonnene Prozess gegen fünf Personen wegen unerlaubter Veröffentlichung vertraulicher Dokumente war am Montag fortgesetzt und auf den 7. Dezember vertagt worden. Den Prozess führt Gerichtspräsident Giuseppe Dalla Torre zusammen mit drei weiteren Richtern.

Zu den Angeklagten zählt der bekannte italienische Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi. Er wirft dem Vatikan in seinem jüngsten Buch „Alles muss ans Licht“ vor, ein System von Korruption, Günstlingswirtschaft, Privilegien und Geldwäsche zu unterhalten. Gegen ihn und seinem Kollegen Emiliano Fittipaldi leitete die vatikanische Justiz ein Verfahren wegen „möglicher Beihilfe zur Verbreitung vertraulicher Informationen und Dokumente“ ein. Den Angeklagten drohen bis zu acht Jahren Haft.

religion.ORF.at/APA/dpa

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