Wissenschaftlicher Religionsdialog: Wien als Vorreiter

Wien böten sich viele zusätzliche Möglichkeiten eines wissenschaftlich fundierten Religionsdialogs, so der katholische Theologe Kurt Appel am Rand des Symposions „Konfliktfeld Religion(en)“.

Appel sprach im Interview mit Kathpress das geplante Studium Islamische Theologie an, das an der Wiener Universität im kommenden Jahr auf Schiene gebracht wird. Zuletzt hatte es aus Regierungskreisen geheißen, das an der Universität Wien geplante Bachelorstudium könne frühestens im Herbst 2016 starten, es soll laut Vizerektor Heinz Faßmann einen „Islam europäischer Prägung“ vermitteln. Eine solche Installierung sei in Europa bisher nicht realisiert und wäre geeignet, dem christlich-islamischen Dialog mehr Tiefe und auch Brisanz zu verleihen, meinte Appel.

Existierende Abteilung eingebunden

Derzeit existiert an der Uni Wien eine Abteilung für Islamische Religionspädagogik, deren Leiter Ednan Aslan ist bereits jetzt in interdisziplinäre Strukturen wie die Forschungsplattform „Religion and Transformation in Contemporary European Society“ eingebunden, teilte deren Sprecher Appel mit. Bemerkenswert sei zudem, dass mit Isabella Guanzini eine katholische Theologin in Wien ausgebildeten islamischen Religionslehrern eine Einführung ins Christentum bietet.

Appel betrachtet es generell als unabdingbar, das Thema Religion interdisziplinär zu beleuchten. Die Wiener Forschungsplattform, an der derzeit rund 20 Wissenschafter aus sechs Fakultäten mitwirken - Katholisch- und Evangelisch-Theologische, Philosophie, Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaften und Kulturwissenschaften - habe dies zuletzt mit einer Tagung über „religiösen Fundamentalismus“ und einer stärkeren Hinwendung zum Thema Migration und Integration getan.

Stärker am Puls der Zeit sein

Für die katholische - und auch evangelische - Theologie sieht Appel dennoch Nachholbedarf hinsichtlich ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz. In den letzten Jahrzehnten habe sie „konsequent an aktuellen Entwicklungen vorbei“ agiert, so seine kritische Diagnose über die eigene Zunft. Als Beispiel dafür, dass sich die Theologie von einem genuin theologischen Thema abkoppelt, nannte Appel das Thema Apokalypse; Filme von Lars von Trier oder Romane von Cormac McCarthy sollten auch theologisch fundierte Debatten auslösen, regte der Wiener Theologe an. Zudem gelte es die auch außerkirchlich viel beachteten Impulse von Papst Franziskus zu nützen, der „in genialer Weise“ Christentum mit sozial-, umwelt- und wirtschaftspolitischen Problemstellungen verbinde.

Eine Öffnung der Theologie wünscht sich Appel auch im Blick auf moderne Kommunikationsschienen. Es werde noch viel zu viel in Festschriften und viel zu wenig via elektronische Medien veröffentlicht. Auch daran liege es, dass unter den intellektuellen Playern der Gegenwart keine Theologen zu finden seien.

Religion in Bezug auf Gewalt ambivalent

Beim am Mittwoch beendeten Symposion „Konfliktfeld Religion(en)“ äußerte sich Appel über „Aufgaben künftiger Vernetzung der religionsbezogenen Disziplinen in Österreich“. Eröffnet wurde die Tagung am Dienstagabend von einem Vortrag des deutschen Professors für Vergleichende Religionswissenschaft Hans G. Kippenberg.

In seinen Ausführungen über das Verhältnis „transnationaler Religion“ und „lokaler Konflikte“ fokussierte er auf den Nahost-Konflikt und dessen zunehmende religiöse Aufladung. Nach dem Sechs-Tage-Krieg hätten sich in Israel Strömungen verstärkt, die durch den UN-Teilungsplan von 1947 zugesprochenen Gebiete auszuweiten und Ansprüche auf das gesamte „Gelobte Land“ zu erheben. Auch die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland werde religiös legitimiert, wie Kippenberg darstellte.

Zugleich hätten sich mit der Hamas (Arabisch für „Eifer“, zugleich Akronym aus arakat al-muqawama al-islamiyya für „Islamische Widerstandsbewegung“) Gegenkräfte formiert, die sich ihrerseits auf Religion berufen. Der Religionsforscher wies darauf hin, dass islamistisch motivierte Selbstmordattentate erst im 20. Jahrhundert als Vorstellung eines legitimen Märtyrertums entstanden seien - die derzeit die islamische Gemeinschaft spalte. Kippenberg warnte vor Kurzschlüssen: Religion sei in Bezug auf Gewalt ambivalent: Weder sei sie nur Ursache von Konflikten noch wirke sie vorrangig anfachend.

religion.ORF.at/KAP

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