Kirchen in Österreich gedachten ihrer jüdischen Wurzeln

Mit einem ökumenischen Gottesdienst in Wien gedachten die christlichen Kirchen zum „Tag des Judentums“ am 17. Jänner ihrer jüdischen Wurzeln und ihrer Mitverantwortung für Antijudaismus und Antisemitismus.

Zu dem Gottesdienst am Sonntagabend in der evangelisch-lutherischen Verklärungskirche hatte der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) eingeladen, unter den Teilnehmern waren u.a. der ÖRKÖ-Vorsitzende, Superintendent Lothar Pöll, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, der frühere methodistische Superintendent Helmuth Nausner und der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld.

Dankbar für Rückkehr der Juden

In seiner Predigt betonte der Religionspädagoge und Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Martin Jäggle, die Verantwortung aller Christen bei der Erinnerung an das Leid, das Christen den Juden zufügten. Er verwies auf den besonderen Ort, an dem der traditionelle ökumenische Gottesdienst zum Tag des Judentums heuer stattfand: Die Verklärungskirche steht im Herzen der Wiener Leopoldstadt, das Zentrum jüdischen Lebens in Wien bis zum Anschluss Österreichs durch Hitler-Deutschland.

„Früher waren hier einmal 50 Prozent der Bevölkerung jüdisch, heute sieht man davon, mit Ausnahme von Stolpersteinen und Gedenktafeln, leider kaum mehr etwas“, sagte Jäggle. Man müsse dafür dankbar sein, dass das jüdische Leben nach und nach in den Bezirk zurückkehrt.

Umgang mit antisemitischen Schriften

Im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 hob der katholische Theologe außerdem den Entschluss der evangelischen Kirchen aus dem Jahr 1998 hervor, die antisemitischen Schriften Martin Luthers zu verwerfen. Dieser Schritt sei in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug einzuschätzen, so Jäggle.

Die beim Gottesdienst verwendete Bibelstelle aus den Psalmen „Herr, steh auf, dass nicht Menschen die Oberhand gewinnen“ (Ps 9,20a) erinnere an den oft mit Machtgewinn verbundenen Menschlichkeitsverlust. Dies sei auch im Verhältnis zwischen Christen und Juden nicht anders gewesen.

Strategien gegen Judenfeindlichkeit von Flüchtlingen

Eine besondere Herausforderung sieht Jäggle auch in der Flüchtlingskrise in Europa. Auch hier würde das richtige Maß an Menschlichkeit leider fehlen. Es gelte aber auch Strategien zu entwickeln, wie der Judenfeindlichkeit zu begegnen ist, die viele Flüchtlinge aus ihren Heimatländern kennen und mitbringen.

Die Initiative zum „Tag des Judentums“ geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird dieser Tag begangen. Das Datum wurde bewusst gewählt: Den Geist dieses Tages sollen die Kirchen in die anschließende weltweite „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ (18. bis 25. Jänner) weitertragen. Denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Initiatoren.

religion.ORF.at/KAP

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