Anglikaner: Die Wurzeln des Machtkampfs

Wie stark die Auffassungen innerhalb der anglikanischen Kirchengemeinschaften voneinander abweichen, hat der fünftägige Krisengipfel vergangene Woche im englischen Canterbury deutlich gezeigt. Verlierer sind die Liberalen.

Die Haltung gegenüber der Homosexuellenehe ist seit Langem ein Konfliktfeld innerhalb des anglikanischen Kirchenverbandes. Der liberale Umgang der anglikanischen Kirche mit Homosexualität besonders in den USA und in Großbritannien stößt bei den Kirchenführern in Asien und Afrika auf Unverständnis. Im Zuge des vom britischen Anglikanerprimas und Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, einberufenen Treffens der Bischöfe aus aller Welt wurde die US-Episkopalkirche für drei Jahre von gemeinschaftlichen Entscheidungen ausgeschlossen. Sie darf nur noch als Beobachter an Treffen teilnehmen.

Spaltung stand im Raum

Durch ihre Zustimmung zur Homosexuellenehe habe sich die US-Kirche grundsätzlich von Glaube und Lehre der anglikanischen Kirchen abgewandt, die die Ehe als Bund eines Mannes und einer Frau verstehe, hieß es einer in Begründung der Kirchenführer.

Anglikanerprimas Justin Welby

AP/Frank Augstein

Anglikanerprimas Justin Welby

Dieses Bauernopfer soll ein im Raum stehendes Schisma verhindern. Daraus, dass er diese Konzession an den konservativen Flügel der anglikanischen Weltkirche persönlich bedauert, machte Primas Welby kein Geheimnis: Er entschuldigte sich für den „Schmerz“, den seine Kirche lesbischen und schwulen Menschen mit dieser Entscheidung zugefügt habe.

„Es ist eine ständige Quelle tiefer Trauer, dass Menschen wegen ihrer Sexualität verfolgt werden“, wurde er vom englischen „Guardian“ (Onlineausgabe) zitiert. Er habe die im Streit liegenden liberalen (US-amerikanischen) und konservativen afrikanischen Flügel innerhalb der Kirchengemeinschaft zusammenhalten wollen. Dass er selbst in der Frage des Umgangs mit Homosexuellen gerne einen „Wandel“ sähe, verschwieg Welby nicht.

Keine „Strafe“, sondern „Konsequenzen“

Doch seien die anglikanischen Kirchen nun einmal übereingekommen, „gemeinsam zu gehen“, so der Erzbischof von Canterbury weiter. „Es gab keine Ausnahme.“ Welby wiederholte außerdem mehrmals, dass die US-Kirche nicht „bestraft“ worden sei, sondern sprach von „Konsequenzen“ dafür, dass sie es Homosexuellen erlaubt habe zu heiraten. Dennoch bedeutet die Entscheidung der Bischofsversammlung einen Sieg der konservativen Bischöfe. Das hat auch mit einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Anglikanischen Gemeinschaft zu tun: Während die „westlichen“ Kirchen wie die der USA und die europäischen Gemeinden mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen haben, wachsen die anglikanischen Kirche vor allem in afrikanischen Ländern.

Die Anglikanische Gemeinschaft

Die Anglikanische Gemeinschaft (Anglican Communion) ist ein Zusammenschluss anglikanischer Kirchen weltweit. Sie umfasst rund 80 Mio. Mitglieder in 38 selbstständigen Landkirchen mit 385 Diözesen. Jeder Landeskirche steht ein Primas vor. Der Primas der Church of England, der Erzbischof von Canterbury, gilt als geistiges Oberhaupt, er hat aber keine Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Kirchen.

Und dort dominieren traditionalistische Meinungen über Homosexuelle, wie auch der Bischof von Kaduna (Nigeria), Josiah Idowu-Fearon, in einem gemeinsamen Pressegespräch („Guardian“) mit Welby sagte: „Generell unterstützt unsere Kultur auf dem afrikanischen Kontinent die Beförderung diese Art des Lebensstils nicht.“

Man könne „dieser Kultur“ nicht von außen auferlegen, etwas für sie nicht Akzeptables anzunehmen, sagte Idowu-Fearon in dem Gespräch sinngemäß. Rund um den Gipfel in Canterbury gab es Demonstrationen gegen die Abstrafung der US-Anglikaner, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete. Jayne Ozanne, eine Aktivistin für die Rechte Homosexueller in der Kirche, sagte, es gebe „wenig Bewusstsein“ dafür, welchen Schaden die Entscheidung anrichte, vor allem für Betroffene in afrikanischen Gemeinschaften, wo Homosexualität unter Strafe stehe.

Demo vor der Canterbury Cathedral in England gegen die Bestrafung der anglikanischen US-Kirche

Reuters/Toby Melville

Demo vor der Kathedrale von Canterbury gegen die Bestrafung der US-Kirche

US-Kirche „enttäuscht“, aber unbeirrt

Bischof Michael Curry, Oberhaupt der US-Episkopalkirche, sagte in einem AP-Interview, dass die US-Kirche in ihrer Akzeptanz der Homosexuellenehe nicht zurückrudern werde. Er habe das den anderen anglikanischen Bischöfen auch gesagt: „Grundsätzlich verstehen sie, dass wir unsere Entscheidung getroffen haben“, so Curry. Er gab zu verstehen, dass die Episkopalen enttäuscht über die Sanktionen seien, sie würden aber weiter für „Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Beziehungen innerhalb der Anglikanischen Gemeinschaft“ arbeiten.

„Wir sind loyale Mitglieder der anglikanischen Kirchengemeinschaft, aber wir müssen sagen, dass wir einen besseren Weg finden müssen“, so Curry. „Ich glaube wirklich, dass das Teil unserer Berufung ist.“ Primas Welby wird nun eine Arbeitsgruppe leiten, die zum Ziel hat, die Beziehungen zur Episkopalkirche wieder zu normalisieren.

Bischof Michael Curry, Oberhaupt der US-Episkopalkirche

AP/Jose Luis Magana

US-Bischof Michael Curry

Eigentlich kennt die anglikanische Kirche keine zentrale Autorität, der Erzbischof von Canterbury ist zwar geistliches Oberhaupt, hat aber als „Primus inter pares“ („Erster unter Gleichen“) gegenüber den anderen Bischöfen kein Weisungsrecht. Für zentrale Entscheidungen gibt es die vier „Instrumente der Einheit“ (Instruments of Unity), eben den Erzbischof von Canterbury, die Lambeth Conference, eine alle zehn Jahre stattfindende Bischofsvollversammlung, die Delegiertenversammlung Anglican Consultative Council und das Treffen der Primasse, der ranghöchsten Bischöfe der einzelnen Landeskirchen. Letzteres wird vom Erzbischof von Canterbury einberufen.

religion.ORF.at

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