Vatikanexperte: Wenig Rückhalt für Papst-Reformen

Der Vatikanjournalist Marco Politi sieht die Reformbemühungen von Papst Franziskus wegen mangelnden Rückhalts in der katholischen Kirche in Gefahr. Kurienmitglieder würden sogar auf den Rücktritt von Franziskus hoffen.

Im Unterschied zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) gebe es heute keine große Erneuerungsbewegung, sagte der italienische Vatikanexperte Politi am Montagabend in der Berliner Katholischen Akademie bei einer Veranstaltung über das Kirchenoberhaupt. Dies habe sich bei der Familiensynode im vergangenen Oktober gezeigt, als die reformorientierten deutschen Bischöfe „ziemlich allein“ geblieben seien.

Hoffen auf Rücktritt von Franziskus

Zugleich zeichne sich ab, dass Papst Franziskus schon in die zweite Hälfte seiner Amtszeit komme, so der Vatikan-Insider. Franziskus habe sein Pontifikat auf vier bis fünf Jahre veranschlagt und einen Rücktritt nach dem Vorbild seines Vorgängers Benedikt XVI. nicht ausgeschlossen. Auf eine solche Entwicklung hofften viele Mitarbeiter der römischen Kurie, die Reformen ablehnten.

Politi betonte, grundsätzlich gebe es unter Katholiken zwar viel Beifall etwa für die Bereitschaft des Papstes, Frauen in verantwortliche Kirchenpositionen zu berufen. Viele Frauen hätten sich jedoch bereits wegen mangelnder Einflussmöglichkeiten enttäuscht von der Kirche abgewandt. Von Seiten der Bischöfe gebe es überdies wenig Druck zu Reformen, weil unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. viele vor allem mit Blick auf ihre Treue zum Lehramt berufen worden seien.

Aufbruch bemerkbar

Bei dem Akademieabend machte der italienische Moraltheologe Antonio Autiero auch den allgemeinen gesellschaftlichen Trend zur Individualisierung für den geringen Reformdruck verantwortlich.

In der Theologie mache sich der Aufbruch durch Papst Franziskus jedoch bereits bemerkbar. So seien seit dessen Amtsantritt vor knapp drei Jahren neue Studien zur Sexualmoral erschienen, nachdem es in den Vorjahren oft „Blockaden in den Köpfen“ mancher Theologen gegeben habe.

religion.ORF.at/KAP

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