Holztrattner: „Das Boot ist nicht voll“

Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), vermisst in der Debatte über die Flüchtlingssituation „Fragen der Verteilungsgerechtigkeit“.

Zur aktuellen Diskussion rund um die Höchstzahl für Flüchtlinge sagte die Theologin und Pädagogin im Gespräch mit dem ORF: „Das Boot ist nicht voll, vor allem wenn es darum geht, dass Menschen ihr Leben retten wollen“.

Viele Menschen in Österreich seien engagiert in der Hilfe für Flüchtlinge, „aber ganz viele Menschen, katholische Pfarren und politische Gemeinden könnten sich noch engagieren“, so Holztrattner. „Es darf keine Frage des Platzes sein, wenn Menschen auf der Flucht sind“,erklärte die Theologin. Solidarität sei nicht nur ein Grundpfeiler der Sozialethik, sondern auch ein Grundwert Europas, so Holztrattner. Sie befürchtet, dass „sozial Schwache gegeneinander ausgespielt werden“ und nennt hier als ein Beispiel die Debatte um eine mögliche Senkung der Mindestsicherung für Flüchtlinge.

Höchstzahl für Flüchtlinge „willkürlich“

Kritisch sieht sie den österreichen Plan einer Höchstzahl von 37.500 Asylwerbern im Jahr 2016: „Die Zahl ist willkürlich“. Unklar sei auch was geschehe, wenn diese überschritten werde. Da die Flüchtlingssituation eine globale Herausforderung sei, könne es nur eine europäische Lösung geben. Eine Möglichkeit wäre aus ihrer Sicht, dass Länder, die weniger Flüchtlinge aufnehmen, jene Länder „die sich menschenfreundlicher zeigen“ finanziell unterstützen.

Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Pädagogin Ursula Fatima Kowanda-Yassin und Jesuitenpater Peter Balleis (v.r.n.l.)

Sandra Szabo

Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Pädagogin Ursula Fatima Kowanda-Yassin und Jesuitenpater Peter Balleis (v.l.n.r.)

„Eine konkrete Zahl festzulegen hilft nicht“, sagte der Jesuitenpater Peter Balleis. Er meint, man müsse, „die angstmachende Debatte über Obergrenzen aufbrechen“. Eine Diskussion darüber sollte zwar einerseits nicht tabuisiert werden, andererseits sollte man besser „über Kapazitäten reden und diese stärken“.

Jesuitenpater: Erfahrung mit Schutzsuchenden

Als positive Beispiele nannte er die vielen Freiwilligen, die in organisierter Weise Flüchtlingen helfen und die dezentrale Unterbringung von Menschen, die geflüchtet sind. Peter Balleis war acht Jahre lang internationaler Direktor des Jesuitenflüchtlingsdienstes und er kennt die Situation vieler Schutzsuchender - etwa auch in afrikanischen Flüchtlingslagern – persönlich.

Seine Erfahrungen hat der Jesuitenpater dieser Tage im Rahmen einer Veranstaltung der ksoe in Wien geschildert. Mit dabei war auch die muslimische Pädagogin Ursula Fatima Kowanda-Yassin. Als im Herbst des vergangenen Jahres tausende Flüchtlinge in Wien angekommen sind, war sie selbst auf den Bahnhöfen und in Notunterkünften als Dolmetscherin aktiv.

Zahlreiche Menschen, darunter auch viele Musliminnen und Muslime, hätten spontan geholfen. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund hätten damals das Gefühl gehabt „plötzlich wichtig zu sein, gebraucht zu werden“, sagte Kowanda-Yassin im Gespräch mit dem ORF.

Online-Universität für Flüchtlinge

Bildung ist für den Jesuitenpater Balleis der Schlüssel zur Lösung vieler Herausforderungen. Am 1. September übernimmt er die Leitung des Online-Universitätsprojektes JC:HEM, die Abkürzung steht für „Jesuit Higher Education at the Margins“.

Der Name ist Programm: Flüchtlingen und Menschen am Rand der Gesellschaft soll ein Zugang zu universitärer Bildung ermöglicht werden. Balleis will das Projekt weiter ausbauen und auch Universitäten in Europa verstärkt einbinden. „Im virtuellen Klassenzimmer studieren Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsam“, skizziert er die Initiative. Damit soll auch der „Teufelskreis mangelnder Bildung“ durchbrochen werden.

Sandra Szabo für religion.ORF.at

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