Lifestyle-Faktor Fastenzeit

Es wird wieder gefastet. Der Trend geht dabei weg von der Religion Richtung Lifestyle. Vom Schnitzel über das Auto bis zum Smartphone: Die Bandbreite des Verzichts zur Fastenzeit wächst zusehends. Doch wo bleibt die Spiritualität?

Nach dem Aschermittwoch verzichten viele auf Fleisch, Süßigkeiten, Alkohol und bestimmte Lebensmittel oder machen gleich eine radikale Fastenkur. „Entgiftungskuren“ - Stichwort Detoxing - stehen zu dieser Jahreszeit hoch im Kurs. Zunehmend sind es auch Geräte, insbesondere solche, die in gewisser Weise einen schlechten Ruf haben, wie das Auto, das Smartphone und der Fernseher, die nicht oder nur eingeschränkt genutzt, also „gefastet“ werden.

Auch gut für das reine Gewissen

Neben dem Gesundheitsaspekt - schließlich wird meist auf eher Ungesundes verzichtet - erleichtert das Fasten in seinen unterschiedlichen Formen auch das Gewissen. Wer das Auto stehen lässt, leistet einen direkten Beitrag gegen Umweltverschmutzung, wer auf Schnitzel und Würstel verzichtet, indirekt auch. Der hohe Fleischverbrauch in Österreich schadet ja nicht nur der Gesundheit, sondern durch Massentierhaltung und die daraus entstehende Stickstoffbelastung auch der Umwelt - vom Tierleid ganz zu schweigen.

Eine junge Frau breitet vor einem See die Arme aus (Symbolfoto: Wellness)

Fotolia/Sondern

Fasten: Wellnesstrend und spirituelle Selbstfindung zugleich

Bei den „alternativen“ Fastenformen sind auch die Kirchen mit dabei: Die von der katholischen und der evangelischen Kirche gemeinsam getragene Initiative „Autofasten - heilsam in Bewegung kommen“ will Alternativen zum Auto bewerben und zum Zufußgehen, zur Nutzung von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrgemeinschaften anregen.

Auch Kirchen fasten „anders“

Die Fastenaktion der evangelischen Kirche, „7 Wochen ohne“, geht es philosophischer an: Unter dem aktuellen Motto „Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge“ wird dazu angeregt, „die Enge im eigenen Denken zu überwinden und das Herz für die Mitmenschen weit zu machen“. Fasten könne ein „jährlicher kleiner Entwurf sein“, eine „Skizze eines anderen Alltags, der Blick in eine andere Richtung, eine Perspektivverschiebung“. Sinnsuche in der Fastenzeit ganz ohne Hungern: So wird die Spiritualität vom Fastenbrauch getrennt und weiterentwickelt.

Selbstfindung und Sinnsuche

Aber auch der Gedanke, für sich selbst etwas zu tun, spielt in der Fastenzeit eine Rolle. Während der 40 Tage bis Ostern wird so mancher Neujahrsvorsatz umgesetzt, der mit dem Themenkomplex Abnehmen/Fitness/Gesundheit zu tun hat. Zur Motivation wird vielfach die Selbstdarstellung in Sozialen Netzwerken hergenommen. Postings mit Absichtserklärungen werden von Beweisbildern abgelöst: Die vegane Linsensuppe („total lecker!“) dient dann als Symbol für Askese. Andere wiederum nehmen sich vor, gerade auf diese Medien für einige Zeit zu verzichten: Die Zeit, die sonst für Facebook, Twitter und Co. draufgeht, möchte man, so der Vorsatz, Sinnvollerem widmen.

Selten die vollen 40 Tage

Die vollen 40 Tage (die Sonntage werden nicht mitgerechnet) fasten freilich die wenigsten. Die 40 Tage Askese ergeben sich aus der Bibel (Mt 4): Es ist die Zeitspanne, während derer Jesus so lange in der Wüste gefastet hat. Auch Moses verbrachte 40 Tage ohne Brot und Wasser auf dem Berg Sinai (Ex 24,18), wo er die Zehn Gebote erhielt. Heute sind es oft nur ein paar Tage, während derer in der einen oder anderen Form gefastet wird.

Mit dem Fasten als Selbstzweck geben sich die Kirchen natürlich nicht ganz zufrieden, doch in den Fastenbotschaften der Pfarrer und Bischöfe schwingt auch der persönliche Gewinn für den Einzelnen mit: Die Fastenzeit wolle nicht die Freude und Lust am Leben „klein oder kaputtmachen, sondern zu einer tieferen Freude und mehr Lebenssinn hinführen“, so etwa der Innsbrucker Diözesanadministrator Jakob Bürgler in seiner Fastenbotschaft: „Wer seine Ansprüche zurückschraubt und Verzicht übt, gewinnt.“

Wahre Expertinnen und Experten in Sachen Fasten sind Ordensangehörige: In einigen österreichischen Klöstern bieten Mönche und Nonnen Kurse in Sachen Fastenzeit an. Dabei gehe es nicht nur um die Nahrungsaufnahme, wie die Kärntner Ordensfrau Schwester Monika Maria gegenüber Kathpress sagte. Eine wichtige Rolle spielten der Umgang mit Zeit, Arbeit und Beziehungen, so die Ordensfrau, die im Kloster Wernberg bei Villach Fastenkurse erteilt. Kombiniert wird die Kur mit Bewegung an der frischen Luft, auch Meditationstechniken kommen zum Einsatz.

Gewinn durch Verzicht

Wachsen an der Selbstkasteiung, Gewinn durch Verzicht: Schon Volksschulkindern wird im Religionsunterricht nahegelegt, während der Fastenzeit „etwas für andere zu tun“ und sich zu überlegen, worauf sie verzichten können. Für Kinder wird sich das meistens im Bereich der Nachspeise und des Fernsehkonsums abspielen. Das Fasten ist kein Selbstzweck, es soll moralisch stärken und auch dabei helfen, Gutes nicht zu selbstverständlich zu nehmen.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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