Islamgesetz: Alter Wein in neuen Schläuchen

Es ist fünf vor zwölf: Laut Islamgesetz droht Vereinen, die die islamische Lehre verbreiten, mit 1. März die Auflösung. Die Frist läutet das Ende der klassischen Moscheevereine ein. Ändern wird sich wahrscheinlich trotzdem nicht viel.

Ümit Vural ist Jurist für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Er ist dieser Tage viel damit beschäftigt, zu erklären, beraten und zu beruhigen. Vural muss sich dabei für seine Gespräche viel Zeit nehmen, denn seine Gesprächspartner sind keine Juristen, die Thematik, über die er referiert, ist keine einfache: Es geht um das Islamgesetz. Es ist auch für Kenner der Materie nicht leicht zu verstehen, wie die Paragrafen des Gesetzestextes zu lesen sind und wie das Gesetz praktisch umgesetzt wird.

Vural verhandelte das neue Islamgesetz mit, und auch die neue Verfassung der IGGiÖ - derzeit noch in Begutachtung des Kultusamtes - trägt seine Handschrift. Er ist der Ansprechpartner für Moscheevereine in Österreich. Dabei muss er momentan vielen Moscheenbetreibern erklären, wie sich das Islamgesetz auf die Vereine auswirkt und wie sie rechtskonform bestehen bleiben können. Die wichtigste Prämisse für viele Betreiber: Alles sollte so bleiben, wie es ist. Tatsache ist jedenfalls, dass das neue Islamgesetz nicht nur für viel Aufregung, sondern auch für Verwirrung sorgt.

Moscheevereine sind Vergangenheit

Durch das neue Islamgesetz ist es muslimischen Vereinen nicht mehr möglich, religiöse Lehren weiterzugeben, sie dürfen keine Moscheen mehr betreiben. Vereinen, die dahingehend bis zum 1. März nicht ihre Statuten angepasst haben, droht die Auflösung. Bisher sah die Struktur so aus: Muslime gründeten Vereine und errichteten in den Vereinsräumlichkeiten Gebetshäuser - darunter sind große Anbieter wie die Türkisch-Islamische Union für soziale und kulturelle Zusammenarbeit (ATIB) und die Islamische Föderation genauso wie kleine Vereine, die nur wenige Mitglieder haben. Mehr als 400 Vereine soll es laut Schätzungen derzeit in Österreich geben.

Die IGGiÖ betreibt selbst keine Moscheen und ist auch nicht dafür verantwortlich, was in den Gebetshäusern gepredigt wird. Das neue Islamgesetz soll das nun ändern. Die religiösen Belange sind den gesetzlich anerkannten islamischen Glaubensgemeinschaften - sprich der IGGiÖ und der Alevitischen Glaubensgemeinschaft (ALEVI) - vorbehalten. Die klassischen Moscheevereine verlieren so mit dem Islamgesetz ihre Daseinsberechtigung.

Mann liest in einer Moschee auf einem Teppich

APA/Hans Klaus Techt

Mehr als 400 Moscheevereine gibt es Schätzungen zufolge in Österreich

Aufgrund des neuen Gesetzes musste die IGGiÖ auch eine neue Verfassung formulieren. Der Verfassungsentwurf der Glaubensgemeinschaft sieht etwa die im Gesetz festgeschriebenen Kultusgemeinden vor. Der IGGiÖ sei dabei wichtig gewesen, Strukturen zu schaffen, die es Moscheevereinen ermöglichen, weiterhin religiös tätig zu sein. Auch sollte den muslimischen Gemeinden nach wie vor möglich sein, ihren Glauben in den Gebetshäusern auszuüben.

Vereinszweck ändern, Moschee behalten

Neben Kultusgemeinden - zu denen sich große Vereine wie die ATIB formieren werden - soll es in Zukunft Moscheegemeinden und Fachvereine geben, die alle der IGGiÖ untergeordnet sind. Und zwar unabhängig davon, ob sie sich von der IGGiÖ vertreten fühlen oder nicht. Für kleine Moscheevereine ist der Weg, sich als Moscheegemeinde zu konstituieren, die einzige legale Möglichkeit, weiterhin Gebetsstätten zu betreiben. Voraussetzung ist, dass eine Moscheegemeinde 40 Mitglieder vorweisen kann.

Zusammengefasst bedeutet das: Moscheevereine ändern damit ihren Vereinszweck - und werden etwa zu Moscheeerhaltungsvereinen, deren Zweck der Erhalt und nicht das Betreiben der Moschee ist. Zugleich besteht für die Vereine die Möglichkeit, sich als Moscheegemeinde registrieren zu lassen - die sehr wohl die Berechtigung hat, eine Moschee zu betreiben.

Für Gläubige und Moscheebetreiber würde sich dadurch in der täglichen Praxis eigentlich nichts ändern. Formal gibt es allerdings Unterschiede, denn die Moscheen sind in Zukunft der IGGiÖ untergeordnet und stehen somit unter ihrer Kontrolle. Ob die von ehrenamtlichen Mitarbeitern abhängige IGGiÖ diese Kontrolle wird leisten können, wird sich erst zeigen.

Für Bangladesh-Moschee unproblematisch

Abid Khan ist Obmann des Bangladesh Islamic Center (Baitul Mukarram), der eine Moschee im 15. Bezirk in Wien betreibt. Seit 1997 ist der Verein aktiv und hat mittlerweile mehr als 1.000 Mitglieder. Obwohl der Verein mit der Anzahl der Mitglieder eine Voraussetzung für eine Kultusgemeinde erfüllt, habe der Vorstand beschlossen, sich als Moscheegemeinde eintragen zu lassen, sagte Khan im Gespräch mit religion.ORF.at. Eine Kultusgemeinde muss neben 1.000 Mitgliedern auch zehn Gebetshäuser vorweisen können - ein Mehraufwand, den man nicht betreiben wolle, so Khan weiter.

Der Verein gehört zu den 155 Einrichtungen, die bereits vor den gesetzlichen Neuerungen als Moschee bei der IGGiÖ gemeldet waren. Für die Mitglieder des Bangladesh Islamic Center stelle das Islamgesetz kein Problem dar, so Obmann Khan. Nicht zuletzt, weil das Auslandsfinanzierungsverbot den Verein nicht tangiert: „Wir bekommen keinen Cent vom Ausland. Wir sind selbstständig“, sagte Khan. Der Imam werde vom Verein bezahlt, der sich allein durch die Mitglieder im Land finanziere. Bei dem größten Moscheeverein des Landes, der ATIB, werden die Vorbeter hingegen von der türkischen Religionsbehörde Diyanet bezahlt.

Rund 200 Vereine bei IGGiÖ

Laut Angaben der IGGiÖ begaben sich bisher mehr als 210 Vereine unter das Dach der Glaubensgemeinschaft, wobei 155 bereits davor registriert waren. Schätzungen zufolge existieren mehr als 400. Darunter sind wohl auch Moscheevereine, die sich von der IGGiÖ nicht vertreten fühlen. Zudem brachten muslimische Vereine eine Klage gegen die gesetzliche Bestimmung, durch die den Vereinen die Auflösung droht, vor dem Verfassungsgerichtshof ein. Eine Entscheidung steht noch aus.

Vor dem Ablaufen der Frist am 1. März werden jedenfalls noch von der IGGiÖ organisierte Informationsveranstaltungen für muslimische Vereine stattfinden. Vurals Aufgabe als Jurist ist es nun, die großteils ehrenamtlich tätigen Moscheenbetreiber darüber zu informieren, wie sie ihre Gebetshäuser behalten können, damit zumindest für diese alles so bleibt, wie es war.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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