Küng will Debatte über Unfehlbarkeit des Papstes

Der Schweizer Theologe Hans Küng hat an Papst Franziskus appelliert, eine „freie, ernsthafte Unfehlbarkeitsdiskussion“ zuzulassen. Ohne eine konstruktive „Re-vision“ des Dogmas von der Unfehlbarkeit werde eine wirkliche Erneuerung der Kirche kaum möglich sein.

Das schreibt der Kirchenkritiker Küng in der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) aus Anlass des dritten Jahrestags der Wahl des Südamerikaners Jorge Mario Bergoglio zum Nachfolger des Apostels Petrus. Ohne Abkehr vom Dogma des Jahres 1870 seien Themen wie die Verständigung zwischen den Konfessionen, die gegenseitige Anerkennung der Ämter und des Abendmahls, die Fragen von Ehescheidung, Frauenordination und Zölibat sowie der „katastrophale Priestermangel“ nicht zu lösen, so Küng.

„Theologisch unbegründet“

Der Schweizer, der lange Jahre im deutschen Tübingen lehrte, hatte 1979 wegen seiner Infragestellung der päpstlichen Unfehlbarkeit die kirchliche Lehrbefugnis verloren. Der heute 87-jährige Theologe beschreibt den Vorgang als eine „generalstabmäßig vorbereitete Geheimaktion, die sich als juristisch anfechtbar, theologisch unbegründet und politisch kontraproduktiv erwiesen hat“. Der Beitrag erschien zugleich in anderen europäischen Printmedien.

Hans Küng

APA/EPA/Rainer Jensen

Theologe Hans Küng

Das sogenannte Unfehlbarkeitsdogma wurde vor 146 Jahren beim Ersten Vatikanischen Konzil verkündet. Es besagt, dass der Papst bei Lehrentscheidungen in Glaubens- und Sittenfragen nicht irren kann. Die praktische Bedeutung des Dogmas ist gering; nur einmal machte ein Papst überhaupt Gebrauch davon, als Pius XII. 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel verkündete.

Keine Kritik aus Angst vor Sanktionen

Mit einer erneuten Debatte um die Unfehlbarkeit gehe es ihm nicht darum, persönlich recht zu bekommen, schreibt Küng. Vielmehr stehe das Wohl der Kirche und der Ökumene auf dem Spiel. Die Diskussion darüber sei zuletzt von der Bildfläche verschwunden, so der aus der Schweiz stammende Priester und Wissenschaftler. Viele katholische Theologen hätten sich aus Angst vor Sanktionen kaum mehr kritisch mit der Materie beschäftigt: „Und die Hierarchie versucht, das in Kirche und Gesellschaft unpopuläre Thema nach Möglichkeit zu vermeiden.“

Die antimoderne Epoche, die das Konzil von 1869/70 eingeleitet habe, sei heute endgültig abgelaufen, erinnert Küng. Im Rahmen seiner „Sämtlichen Werke“ ist im Herder-Verlag jüngst der fünfte Band erschienen, der Küngs Texte zum Thema Unfehlbarkeit enthält. Das Buch wolle er dem Papst an die Hand geben, um eine „freie, unvoreingenommene und ergebnisoffene Diskussion“ zu ermöglichen, „nicht zur Zerstörung, sondern zur Auferbauung der Kirche“, schreibt der Theologe. Allerdings sei die Unfehlbarkeitsfrage nicht über Nacht lösbar. Doch wenn Franziskus sie anstoßen würde, wäre dies für ihn die „Erfüllung einer nie aufgegebenen Hoffnung“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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