Sozialethiker Remele fordert neue christliche Tierethik

Der Grazer Theologe Kut Remele präsentiert am 14. April sein Buch „Die Würde des Tieres ist unantastbar“. Darin wendet er sich gegen einen „despotischen Anthropozentrismus“, der Leid von Tieren ausblendet.

Für die Abkehr von der „weitgehenden Nichtbeachtung der Tiere durch die christlichen Kirchen“ und eine neue christliche Tierethik tritt der Grazer Sozialethiker Kurt Remele in seinem jüngst erschienenen Buch ein. Es stellt ein engagiertes Plädoyer gegen jedes unnötige Töten von Tieren und gegen den auch von Papst Franziskus kritisierten Herrschaftsanspruch dar, der den Menschen als verfügungsberechtigt gegenüber allen Mitgeschöpfen betrachtet und deren Leid ausblendet.

Der katholische Sozialethiker Kurt Remele

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Kurt Remele

Theorie und Praxis klaffen auseinader

Bis heute hätten akademische Theologie und kirchliche Praxis den vom Papst in Frage gestellten Herrschafts- oder Unterwerfungsauftrag in der Bibel „nicht wirklich hinter sich gelassen“, bedauerte Remele in einem „Kathpress“-Interview. Man könne heute zwar häufig „salbungsvolle Sonntagspredigten“ über die Schönheit und Gutheit der Schöpfung Gottes hören und über die menschliche Verantwortung, sie zu erhalten, „aber nach dem Hochamt setzt man sich im Pfarr- oder Gasthaus zusammen und isst den Sonntagsbraten, der in der Regel von Tieren stammt, die ihr kurzes und qualvolles Leben in Tierfabriken verbracht haben“, ärgerte sich der auf vegane Ernährung umgestiegene Grazer Theologe.

Sendungshinweis

Tierethiker Kurt Remele in „Logos- Theologie und Leben“ am Samstag, 9. April, 19.05 Uhr

Hat sich Jesus nicht auch von Fleisch und von Fisch ernährt? Diese Frage ist nach den Worten Remeles bibelwissenschaftlich nicht eindeutig beantwortbar - und vor allem: zweitrangig. Wie sich Jesus vor 2000 Jahren ernährt hat, kann nach der Überzeugung des Sozialethikers „nicht entscheidend sein für unser heutiges Ernährungsverhalten“. Vielmehr verlangt sei ein genauer Blick auf die Zeichen der Zeit. Laut Remele spricht viel dafür, dass Jesus angesichts der modernen Massentierhaltung „heute Vegetarier oder wahrscheinlich sogar Veganer wäre“.

Blinder Fleck und „theologischer Schwachsinn“

Papst Franziskus habe die Zeichen der Zeit erkannt, wenn er sich explizit gegen jeden „despotischen Anthropozentrismus“ wendet. In seinem Lehrschreiben „Laudato Si“ erkläre er wörtlich, „die gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln, zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Jegliche Grausamkeit gegenüber irgendeinem Geschöpf widerspricht der Würde des Menschen“.

Nichts an Deutlichkeit lasse bei diesem Thema auch der anglikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu vermissen. Remele zitiert ihn in seinem Buch mit dem Satz: „Es ist eine Art theologischer Schwachsinn zu glauben, dass Gott die gesamte Welt nur für die Menschen gemacht habe oder dass Gott nur an einer Spezies unter den Millionen Lebewesen, die Gottes gute Erde bevölkern, interessiert sei.“

Tötung von Tieren nur als „letzter Ausweg“

Tierschutz ist ein in Theologie und Kirche zwar vernachlässigtes Thema, dennoch gibt es solche Aussagen und Traditionen, an die anzuknüpfen sich lohnte und die Ausgangspunkt einer „Übersetzung“ in die heutige Zeit sein können, erklärte Remele in dem Interview zum Anliegen seines Buches. Seine Tierethik fordere, dass das Töten von Tieren nur als letzter Ausweg gestattet ist, etwa im Fall von Selbstverteidigung gegen Tiere, die das Leben oder die Gesundheit eines Menschen akut bedrohen.

Verantwortungsbewusste Christen sollten folgende Konsequenzen aus einer tierethischen Haltung ziehen: kein Essen von Tieren und vorzugsweise auch Tierprodukten, keine Stierkämpfe, keine Wildtiere in Zirkussen, keine (Hobby-)Jagd und keine medizinischen und wissenschaftlichen Tierversuche. Gerade in der sogenannten Ersten Welt gibt es laut Remele ein breites Angebot an Alternativen zu Konsumgütern, die mit Tierleid verbunden sind.

Remele, der auch dem „Oxford Centre for Animal Ethics“ angehört, präsentiert seinen Band am 14. April um 19.00 Uhr im Universitätszentrum Theologie in Graz. Dabei wird auch der Tierrechtsaktivist Martin Balluch zu Wort kommen, der als Gründer des „Vereins gegen Tierfabriken“ 2011 in einem Aufsehen erregenden Prozess vom Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation freigesprochen wurde.

religion.ORF.at/KAP