Wiederverheirateten-Pastoral: Papst gibt Rückenwind

Das Papstschreiben „Amoris Laetitia“ gibt der Seelsorge für wiederverheiratete Geschiedene enormen Rückenwind, so die in der Erzdiözese Wien für diesen Bereich Zuständige, Renate Moser, am Freitag gegenüber Kathpress.

„Der Papst verurteilt oder beurteilt nicht den Status quo der Geschiedenen, sondern sagt: Schaut euch die Geschichten dieser Menschen an“, hob die Leiterin der zur Kategorialen Seelsorge gehörenden Dienststelle „Plattform für Geschiedene und Wiederverheiratete“ (WIGE) hervor.

Die Plattform WIGE der Erzdiözese Wien widmet sich seit 1989 in besonderer Weise den Geschiedenen und Wiederverheirateten. Der von Kardinal Christoph Schönborn formulierte Grundsatz der Arbeit der Dienststelle: Auch jene, die in ihrer Ehe gescheitert sind, sollen wissen, dass sie in der Kirche ein Zuhause finden. Ausgangspunkt der WIGE sei der Umstand, dass viele getrennt Lebende, Geschiedene, Alleingebliebene oder Wiederverheiratete die Sehnsucht nach Gott und seinem Segen für ihren Lebensweg verbinde, erklärte Moser. Gespräche, Weiterbildung und Beratung werden dazu angeboten und man fördert den pastoralen Umgang mit Menschen, deren Ehe gescheitert ist.

Schreiben erinnert an Schönborn-Broschüre

In weiten Strecken erinnere sie das nachsynodale Schreiben des Papstes an eine 2007 von der WIGE mit Anregungen von Kardinal Schönborn verfasste Broschüre, die in der Erzdiözese Wien den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen regelt, so Moser. Auch in dieser Broschüre, die den Titel „Aufmerksamkeiten“ trägt, gehe es unter anderem darum, „dass wir auf die Kinder schauen sollen, sowie auf den Partner, der gegangen oder zurückgeblieben ist“. Zentrales Anliegen sei die pastorale Begleitung der Betroffenen. „Es wird gesagt: Steht ihnen hilfreich zur Seite, holt sie in die Kirche rein - denn sie sollen nicht Randfiguren sein.“

Die Wiener Broschüre richtet sich sowohl an Seelsorger als auch an Betroffene selbst. Die aufrechte sakramentale Ehe sei unauflöslich und habe vor Gott die höchste Würde, wird darin gleich vorweg klargestellt. Für Menschen, deren erste Ehe zerbrochen ist, solle aber ein „zweites Gelöbnis“ ohne Rang einer kirchlichen Eheschließung möglich sein. Dadurch erhalte diese neue Verbindung eine entsprechende Würde und hebe sich von einer nur standesamtlich geschlossenen Zweitehe ab.

Aufmerksamkeit auf fünf Ebenen

Die in der Broschüre dargestellten fünf Aufmerksamkeiten sind als praktische Hilfestellung für die seelsorgliche Begleitung Betroffener sowie für die Gewissenerforschung der Betroffenen selbst gedacht. Aufmerksam müsse man demnach an erster Stelle gegenüber den Kindern sein: Kinder bräuchten die Sicherheit, von Mutter und Vater geliebt zu werden, wie immer auch das Leben weitergehen mag, heißt es in der Broschüre.

So müsse man sich immer die Frage stellen, ob die Rechte der Kinder wahrgenommen werden. Als zweite „Aufmerksamkeit“ wird die gegenüber dem getrennten Partner genannt, auf den noch lange viele Gefühle fixiert sind. Hier gehe es vor allem um das Bemühen, eine korrekte Gestaltung der Beziehung „abseits eines Rosenkrieges“ und im Sinne der Kinder anzustreben.

Mit Verantwortung auseinandersetzen

Die Frage, ob Schuld und Schuldgefühle bewältigt wurden, führe zur dritten „Aufmerksamkeit“ gegenüber genau dieser Schuldfrage. So gelte es zuerst, sich mit der eigenen Verantwortung für das Scheitern der Ehe auseinanderzusetzen und in einem zweiten Schritt eine „Versöhnung mit Verantwortung“ anzustreben. Dabei komme auch dem Glauben eine bedeutende Rolle zu. Es gehe darum, die Hoffnung zu stärken, dass Gott Schuld und Sünde vergibt.

Eine vierte „Aufmerksamkeit“ gegenüber treuen Ehepaaren führe zur Frage, wie die Gemeinden deren Leistung für die Gesellschaft zu würdigen verstehen. Es gehe aber auch darum, wie die Pfarren diesen Ehepaaren helfen können, ihre Beziehung zu vertiefen und noch glücklicher zu gestalten.

Neuorientierung aus dem Glauben

Die fünfte „Aufmerksamkeit“ schließlich betrifft jene gegenüber dem Gewissen und Gott. Wer ehrlich betet, dürfe auch mit der Barmherzigkeit Gottes rechnen. Die durchlebten und im Glauben reflektierten Phasen seien für das Gewissen eine harte Prüfung und es erhalte dadurch eine Größe und Weite, „die Kraft gibt für die künftige Lebensform und für das weitere Leben innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft“. Eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit und eine Neuorientierung aus dem Glauben würden so möglich.

Die allermeisten Menschen würden einander in der Absicht das Sakrament der Ehe spenden, für immer und ewig zusammenzubleiben, doch, so Moser: „Oftmals gelingt das nicht. Das Scheitern gehört zum Leben dazu“ - in einer Ehe könne dies ebenso passieren wie im Beruf oder bei plötzlicher Krankheit. Da habe die Kirche anzusetzen: „In den allermeisten Pfarren passiert das auch auf sehr einfühlsame Art und Weise.“

Schaffelhofer: „Schubumkehr“ in Kirche

„Amoris Laetitia“ ist für Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), „wie eine Schubumkehr in der Kirche“. Sie sieht in dem am Freitag veröffentlichten Text ein „Papstschreiben, auf das wir seit langem gewartet haben und dessen Saat aufgehen wird“. Sie sei Papst Franziskus „zutiefst dankbar dafür“, erklärte die KAÖ-Präsidentin in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.

Absage an „kalte Schreibtischmoral“

Franziskus fordere „keinen sturen Gesetzesgehorsam“ ein, der alle jene ausschließt, die das christliche Eheideal nicht leben. „Der Geist der Barmherzigkeit atmet aus jeder Zeile dieses Schreibens“, so Schaffelhofer. „Getragen von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes ist der Mensch herausgefordert, in seinem Gewissen zu klären, was seiner Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen förderlich ist.“

Der Papst betrachte es als Aufgabe der Kirche, „dieses Gewissen zu bilden, aber nicht zu ersetzen“ - also die Gewissensentscheidung des Einzelnen anzuerkennen. Dies sei zugleich eine Absage an eine „kalte Schreibtischmoral“, mit der selbsternannte Richter „von oben herab und oberflächlich über verletzte Familien“ urteilen.

Sakramente auch bei „irregulären“ Verhältnissen

Die Kirche habe den Menschen in ihrer konkreten Situation und Unterscheidung zu begleiten, sie habe mit den Menschen unterwegs zu sein, erläuterte Schaffelhofer den Duktus des neuen Papstdokuments. Das bedeute nicht, die Ehe als Ideal aufgegeben, setze aber auf Begleitung, auf dem Weg in Richtung des Ideals voranzukommen.

Für die KAÖ-Präsidentin ist es vor diesem Hintergrund „nur konsequent, dass die Hilfe der Sakramente auch gegeben werden kann, wenn objektiv gesehen sogenannte ‚irreguläre‘ Verhältnisse vorliegen“. Denn für Franziskus sei die Eucharistie „keine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein Heilmittel“. Dies ist in der Interpretation Schaffelhofers „so selbstverständlich, dass es in dem Papstschreiben nur in einer Fußnote Erwähnung findet“.

religion.ORF.at/KAP

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