30 Jahre Tschernobyl: Kirche warnt vor Kernenergie

Das Gedenken an das Reaktorunglück von Tschernobyl vor 30 Jahren hat Österreichs Umweltbischof Alois Schwarz (Gurk-Klagenfurt) zum Anlass genommen, für Europa einen raschen Ausstieg aus der Atomenergie und eine „ökologische Energiewende“ zu fordern.

Eine Gesellschaft, die auf den Prinzipien der Nachhaltigkeit aufbaut, müsse aus der Tschernobyl-Katastrophe den Schluss ziehen, „dass wir uns in Zukunft die Atomenergie weder wirtschaftlich noch ökologisch noch sozial leisten werden können“, hieß es in einer Aussendung von Bischof Schwarz am Montag.

Bischöfe gegen „Hochrisikotechnologie“

Er verwies darin auch auf die Überzeugung innerhalb der Österreichischen Bischofskonferenz, „dass Atomkraftwerke aufgrund des hohen Risikos nicht zukunftsfähig sind“. Kernenergie sei von den Bischöfen auch nach Fukushima 2011 als „Hochrisikotechnologie“ eingestuft worden, die „mit großen Gefahren für die heute Lebenden und für nachfolgende Generationen“ verbunden sei. Ressourcenschonende Alternativen dazu müssten auch in der Kirche selbst zum Tragen kommen.

Auch in der Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus finden sich laut dem Kärntner Bischof unmissverständliche Warnungen: „Die Erde scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln“, beklagte der Papst. Insbesondere verwies er auf die Gefahren durch hochgradig toxische Abfälle und Atommüll. Häufig würden Maßnahmen erst dann ergriffen, wenn die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen bereits irreversibel seien.

„Irreversible Folgen“ bei Missbrauch

Nach den Worten von Bischof Schwarz darf nicht auf eine Technologie gesetzt werden, bei der menschliches Versagen oder Missbrauch zu irrreversiblen Folgen führen würden. „Die Lösung unserer Probleme dürfen wir nicht den kommenden Generationen überlassen, weshalb neben einer energiepolitischen Kursänderung auch eine Änderung unseres Lebensstils notwendig ist“, so der Umweltbischof.

Es sei „mehr denn je das Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte notwendig, den maßlosen Energieverbrauch einzuschränken“. Es müsse die Energieeffizienz gesteigert und der verbleibende Bedarf möglichst aus erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden.

Kirchen setzten auf Ökostrom

Auf diese ethisch verantwortbare Alternative setze auch die katholische Kirche, heißt es in der Aussendung. Bis 2017 werden in allen Diözesen Klimaschutz-und Energiestrategien mit konkreten Umsetzungsplänen gültig sein. Im Detail wurde der Umstieg auf zertifizierten Ökostrom und bei der Raumheizung der Wechsel auf erneuerbare Energieträger beschlossen. Ziel sei es, die ökologische Energiewende in kirchlichen Organisationen bis 2020 zu schaffen.

Auch die Katholische Aktion St. Pölten hat anlässlich des „traurigen 30-Jahr-Jubiläums“ von Tschernobyl betont: „Wir brauchen keine strahlende Zukunft.“ Die Atomenergie sei ein weiteres trauriges Beispiel für den unnachhaltigen Gebrauch unserer Natur, erklärte KA-Präsident Armin Haiderer am Montag. Die Kernenergie mag zwar die billigste Form der Stromerzeugung sein, „aber letztlich ist sie sicherlich nicht die günstigste“. Haiderer erwähnte die Lagerprobleme des Atommülls bzw. die vielen Risiken bei unvorhergesehenen Vorfällen. Viele in Österreich seien durch ihre unmittelbare Nachbarschaft zu „mehr oder weniger sicheren Reaktoren“ besonders betroffen.

Aktionen für Umweltschutz

Die KA der Diözese St. Pölten forciere seit Jahren den Umweltschutz und rufe dazu auf, mit Energie sparsam umzugehen. In den vergangenen Jahren seien viele Akzente wie ein jährlich gemeinsam mit dem Land Niederösterreich ausgeschriebener Umweltpreis, umweltfreundlich gestaltete Pfarrfeste, „Autofasten“ und „Klimapilgern“ sowie theologische Umweltgespräche. Weiters werde derzeit evaluiert, welche weiteren konkreten Schritte die Mitarbeiter der Diözese St. Pölten setzen können.

Es liege in der gesellschaftlichen Verantwortung aller Christen, mit Energie sparsam umzugehen und auch hier das alte christliche Ideal des Maßhaltens anzuwenden, betonte Haiderer. „Das wollen auch wir als Kirche vorleben.“

Krebs als Spätfolge

Die Folgen des Reaktorunglücks in Tschernobyl sind auch heute noch für viele Menschen spürbar: Weite Landstriche Weißrusslands, der Ukraine und Russlands sind hoch strahlenbelastet, Kinder aus armutsbetroffenen Familien leiden besonders unter den Spätfolgen des Reaktor-Unglücks.

„Viele von ihnen erkranken an Schilddrüsenkrebs“, beschreibt Caritas-Auslandshilfe Generalsekretär Christoph Schweifer die Spätfolgen in einer Aussendung am Montag. Für die Behandlung und Pflege der Betroffenen müssten die Familien zu einem großen Teil selbst aufkommen. Die Caritas Österreich kämpft mit den Caritas-Verbänden vor Ort gegen die Auswirkungen veralteter und unterfinanzierter staatlicher Gesundheitssysteme.

Caritas leistet Nothilfe

In Zusammenhang mit dem vor 30 Jahren, am 26. April 1986, explodierten ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl wird auch die starke Zunahme von Chromosomenschäden und Fehlbildungen bei Neugeborenen gesehen, so Schweifer. Die ukrainische Kommission zum Schutz vor Strahlenschäden spricht von einem Anstieg der Kindersterblichkeit um 20 bis 30 Prozent. Noch immer würden über acht Millionen Menschen in radioaktiv belasteten Gebieten wohnen.

In der Ukraine hilft die Caritas seit März 2014 gemeinsam mit dem Caritas-Verband vor Ort. 40.000 Menschen konnte bisher im Rahmen von Nothilfeprojekten geholfen werden. Neben der Nothilfe betreut die Organisation in insgesamt 15 Projekten für Palliativ- und Hauskrankenpflege mehr als 1.000 pflegebedürftige Menschen. Zudem werden in sechs Familienprojekten vorwiegend Familien mit Kindern mit Behinderungen unterstützt. Hilfe, die die Menschen im dritten Jahr des Ukrainekonflikts dringen nötig hätten, so Schweifer.

Zu wenig Plege für Sterbenskranke

Vor allem die Situation sterbenskranker Erwachsener und die von Kindern sei oft dramatisch, gebe es in der Ukraine nämlich kaum Hospizarbeit. Oft fehlten Pflegebehelfe, Medikamente und Personal. In Weißrussland unterhält die Caritas das Zentrum St. Lukas. Dort können 20 krebskranke Kinder und ihre Eltern während der Therapie kostenlos wohnen, denen die lebensnotwendige Behandlung aus Geldmangel sonst verwehrt bleibe. 1.300 Kinder und ihre Eltern hat das Zentrum bisher aufgenommen. Die Caritas organisiert seit 1991 auch jährlich Erholungsaktionen für Kinder aus Weißrussland in Österreich.

Laut UNICEF leben bis heute 268.000 Kinder in Gebieten, die von der Katastrophe von Tschernobyl betroffen waren. Krankheitsfälle häuften sich auch hier.

religion.ORF.at/KAP

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