Was Frauen von der Kirche wollen

Frauenemanzipation und Christentum - eine Paarung, die auf den ersten Blick wenig passend scheint. Dennoch sind Feminismus und gelebter christlicher Glaube miteinander vereinbar. Auch wenn das zum Teil auf Umwegen geschieht.

Sehr unterschiedliche Wege gehen Frauen in Österreich, um feministisch-christlich tätig zu sein - in der Forschung wie in der Praxis. Was feministische Forschung will, ist das „Sichtbarmachen von Frauen und Frauenzusammenhängen“, sagte die Theologin und Religionslehrerin Adelheid Berger im Gespräch mit religion.ORF.at. Im Zentrum stehe der Versuch, „Frauen in der frühen Jesus-Bewegung sichtbar zu machen“. In den letzten 25 Jahren sei auf diesem Gebiet viel passiert, so Berger, die Mitglied im Österreichischen Frauenforum Feministische Theologie ist.

Frauenthemen sichtbar werden lassen

Es gibt an den österreichischen Universitäten derzeit keinen Lehrstuhl für feministische Theologie. Was nicht heißt, dass keine Forschung zu Frauenthemen betrieben wird: Es gibt an verschiedenen Instituten Frauen, die feministisch arbeiten, wie die Theologin Irmtraud Fischer im Gespräch mit religion.ORF.at sagte.

Die Universitätsprofessorin am Institut für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz forscht zu Themen wie „Ist Geschlechterparität gottgewollt?“ und zur Problematik einer „genderfairen Anthropologie im Alten Testament“.

30 Jahre Frauenforum

Das Österreichische Frauenforum Feministische Theologie feierte heuer im März sein 30-jähriges Bestehen.

An der Uni Graz wurde vor etwa 20 Jahren der Beschluss gefasst, Frauenforschung zu fördern. Aus der Forschung ergibt sich für Fischer, dass es „äußerst schwierig“ ist, Ungleichbehandlung aus den Schöpfungstexten der Bibel heraus zu rechtfertigen: Derzeit sei die Auslegung der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts für den Vatikan „die Tradition“. Es gebe aber auch andere Traditionen, so die Theologin, die Mitglied im Beirat für das Übersetzungsprojekt „Die Bibel in geschlechtergerechter Sprache“ war.

Zurück zu den biblischen Quellen

Auch müsse man sehen, dass die biblischen Schriften durch die Rezeption der Kirchenväter auf die Gläubigen komme: „Hieronymus zum Beispiel übersetzt in Gen 3,16 so, dass er einen Rechtsbegriff einfügt, der die Frau unter den Mann unterwirft.“ Die feministische theologische Forschung geht an die Quellen zurück („ad fontes“), um Fehlern und Verzerrungen auf die Spur zu kommen, die die alten Texte über die Jahrhunderte hinweg erfahren haben.

Die Frauen seien dabei, so Fischer, mehr und mehr in die Bedeutungslosigkeit gedrängt worden - durch mehr oder weniger irreführende Übersetzungen. So übersetzte die Bibel etwa eine Handlung Miriams, der Schwester Moses, mit „singen“, was sie zur Leiterin eines Frauenchores mache. Das Wort bedeutet im Hebräischen aber „antworten“, wodurch auf Miriams prophetische Funktion für das ganze Volk verwiesen wird. Durch ähnliche „Fehlleistungen“ wurden viele Frauen marginalisiert.

Gemälde "Mirjam" von Anselm Feuerbach (1829–1880)

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Zur „Chorleiterin“ degradiert: Prophetin Miriam (Gemälde von Anselm Feuerbach)

Was so weit entfernt scheint, hat dennoch Auswirkungen auf die Gegenwart: Bis heute ist das Priesteramt für Frauen in der katholischen Kirche nicht einmal im Entferntesten angedacht. „Nur weil man auf manche Posten mehr Frauen setzt“, bedeute das noch lange keine näher rückende Gleichstellung, so Fischer. In manchen kirchlichen Ämtern treffe man zwar tatsächlich öfter Frauen an, etwa als Pastoralamtsleiterinnen oder Kanzlerinnen. Das sorge für eine andere Stimmung, „es ist ein Anfang“, so Fischer. Doch „alles, was in der Kirche entschieden wird, ist vom Weiheamt abhängig - die Letztentscheidungskompetenz hat also immer ein Mann.“

Papst zu Diakonenamt: „Kein Anlass zum Jubel“

Zur viel beachteten Aussage des Papstes, er werde die Zulassung von Frauen als Diakoninnen prüfen lassen, sagte Fischer: „Das kommt jetzt darauf an, von wem er prüfen lässt – denn so werden die Ergebnisse ausschauen. Für mich ist die Ansage erstmal kein Anlass zum Jubel. Das ist alles erforscht, da braucht man nicht erst prüfen“, so die Theologin gegenüber religion.ORF.at. „Aber ich lasse mich natürlich gerne überraschen.“

„Was gibt es da noch zu prüfen?“, formuliert es Berger noch direkter. Es ist für die Theologin völlig klar, dass Frauen in der antiken Kirche wichtige Funktionen innehatten. „Sie nahmen unter anderem Taufen - an anderen Frauen - vor.“ Hätte ein Papst vor 15 Jahren diesen Vorschlag gemacht, wäre ihre Reaktion anders ausgefallen, so Berger. Fraglich ist ohnehin, wie sich Frauen in ein katholisches Priestertum einfügen könnten - und auch, ob sie das überhaupt wollten. Das Amtsverständnis selbst müsse sich ändern, so Berger. Universitätsprofessorin Fischer sieht das ähnlich: „Alles hängt an der einen Person, irgendwas stimmt da nicht mehr.“

Evangelische Kirche: Riesenschritt voraus

In Sachen geistliches Amt für Frauen ist die evangelische Kirche der katholischen fraglos einen Riesenschritt voraus. Evangelische Pfarrerinnen sind seit 1965 den Pfarrern gleichgestellt, wobei sie damals noch unverheiratet sein mussten. Das änderte sich 1980, als „dieses Quasi-Zölibat nur für Frauen“ fiel, erzählte die evangelische Vikarin Maria Katharina Moser im Gespräch mit religion.ORF.at.

Moser ist in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wien-Simmering tätig und arbeitet als wissenschaftliche Referentin des Instituts für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie (IöThE). „In der evangelischen Kirche hat sich etwas bewegt. Jetzt können Frauen alles werden“ - von der Oberkirchenrätin bis hin zur Bischöfin.

„Lebenswirklichkeit von Frauen nicht vergessen“

In Österreich ist ein Drittel der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer weiblich. Es gibt auch einzelne Frauen in Leitungsfunktionen. Nun sei es noch Ziel, vermehrt Frauen in Leitungsfunktionen zu bringen, sagte Moser. Dazu gehöre auch aktive Bewusstseinsarbeit: „Feministisch predigen, Präsenz zeigen.“ Die Bibel-Texte für Predigten sind durch die Perikopenordnung vorgegeben - doch sei es wichtig, in ihrer Auslegung die „Lebenswirklichkeit von Frauen nicht zu vergessen“.

Ökumenischer Frauengottesdienst im Seminarhaus St. Klara in Vöcklabruck/OÖ

Anita Schwandtner

Ökumenischer Frauengottesdienst des Frauenforums Feministische Theologie im Seminarhaus St. Klara in Vöcklabruck (OÖ)

Als Forum zur Vernetzung - und um einander in regelmäßigen Abständen zu treffen - wurde das Frauenforum Feministische Theologie 1986 „in einer Aufbruchsstimmung“ gegründet. Es ist seit den 1990er Jahren „kleiner geworden“, erzählt Berger, die in Graz Frauenliturgien abhält. Noch immer finden jährliche Treffen des Forums statt, doch die Teilnehmerinnenzahl sei von über 100 auf etwa 20 geschrumpft, so Berger.

„Pfarrerin im Pfusch“

Anna Pfleger, Vorstandsmitglied des Frauenforums, ist nebenberuflich als „Pfarrerin im Pfusch“ in Wien tätig. Die studierte Theologin, die es nach eigenen Angaben in den Kirchen - katholisch, evangelisch, altkatholisch - nicht schaffte, ihre Vorstellungen zu leben, bietet feministisch orientierte Rituale an: etwa für Begräbnisse, Hochzeiten, Namensgebungsfeiern und private Feiern. Was anfangs eine Notlösung gewesen sei, erlaube ihr nun, „selbst-denkend unterwegs“ zu sein, so Pfleger zu religion.ORF.at.

Ihre Arbeit sieht sie als „sehr ur-jesuanisch und urmarianisch. Die ersten Treffen fanden damals in den privaten Häusern statt, und so ist es bei mir auch heute.“ Ihr Zugang zu den Kirchen sei sehr kritisch, so Pfleger, vor allem deren Frauenbild, das „Gebeugtwerden und die vielen Schuldgefühle, die Zwänge, Mythen, Sagen, Märchen, eine Männerherrschaft der übelsten Sorte“.

Einen Weg zurück in eine der Kirchen sucht Pfleger nicht mehr. „Wenn eine noch immer in diese Kirche mag, dann soll es ihr nicht verwehrt werden“, findet die Theologin. „Ich denke aber, dass viele feministisch denkende Frauen gar nicht mehr in diese Kirchen wollen - wenn Priesterin, dann in einem neuen System, einem vielschichtigen, einem, das zwar ein Leitungsgremium hat, das aber nur dem Zusammenhalt dient.“ Derzeit denke sie über die Gründung eines eigenen Vereins nach - und den passenden Namen dafür: „Kirche“ komme nicht infrage, weil das ja - aus dem Griechischen kommend - „zum Herrn gehörig“ bedeutet.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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