Religiöse Verfassung: Erdogan distanziert sich

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich von den Aussagen des türkischen Parlamentspräsidenten distanziert und den in der Verfassung festgeschriebenen Säkularismus in seinem Land verteidigt.

Der Staat solle gegenüber allen Religionen dieselbe Distanz haben, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Erdogan am Dienstag bei einem Besuch in Zagreb. Der türkische Parlamentspräsident Ismail Kahraman hatte zuvor eine religiöse Verfassung gefordert. „Wir sind ein muslimisches Land. Als Konsequenz müssen wir eine religiöse Verfassung haben“, hatte dieser am Montag laut Nachrichtenagentur Anadolu bei einer Konferenz in Istanbul erklärt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

APA/AFP/Adem Altan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

„Staat soll zu Religionen Distanz wahren“

Erdogan betonte in Zagreb, es habe sich um Kahramans persönliche Sichtweise gehandelt. Wie Erdogan gehört auch der Parlamentspräsident der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) an. „Meine Position dazu ist bekannt ... Der Staat sollte zu allen Religionen dieselbe Distanz wahren ... Das ist Laizismus“, erklärte der türkische Präsident.

Kahramans Äußerungen hatten zu heftigen Protesten vor dem Parlament in Ankara geführt, die von der Polizei mit Tränengas aufgelöst wurden. Auch der Parlamentspräsident selbst hatte seinen Äußerungen danach als „persönliche Ansichten“ bezeichnet.

Ministerpräsident dementiert ebenfalls

Derartige Spekulationen seien unangebracht, sagte auch Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch vor Mitgliedern der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara. Auch im neuen Verfassungsentwurf werde „der Grundsatz des Säkularismus vertreten sein, der den Individuen Religions- und Glaubensfreiheit zusichert“, sagte er. Die Verfassung werde zudem garantieren, dass „der Staat den gleichen Abstand zu allen Glaubensgruppen hält“.

Die mehrheitlich sunnitisch-muslimisch geprägte Türkei ist das einzige islamische Land der Welt, das laizistisch ist. Trotz des laizistischen Prinzips wurde allerdings mit einer Verfassungsänderung im Jahr 1982 der sunnitische Religionsunterricht als Pflichtfach an staatlichen Schulen eingeführt. Kritiker unterstellen dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan, er würde den Laizismus aushebeln wollen.

religion.ORF.at/APA/Reuters/dpa

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