Feiern in der Himmelfahrtskapelle in Jerusalem

Zahlreiche Pilger aus allen Teilen der Welt haben am Donnerstag an der katholischen Messfeier zum Fest Christi Himmelfahrt in der Himmelfahrtskapelle in Jerusalem teilgenommen. Die Kapelle liegt an der höchsten Stelle des Ölbergs in Jerusalem, östlich der Altstadt.

Den biblischen Berichten nach soll Jesus an jener Stelle in die himmlischen Sphären emporgestiegen sein. Seit 1187 ist die Kapelle Eigentum der islamischen Stiftungsverwaltung („Wakf“). Seit Beginn der osmanischen Herrschaft im 16. Jahrhundert darf in der Kapelle nur einmal im Jahr, zum Fest Christi Himmelfahrt, eine katholische Messfeier stattfinden. Die östlichen Kirchen müssen ihre Gottesdienste im Vorhof abhalten.

Messfeiern nach genauem Zeitplan

Heuer haben die christlichen Feiern zum Fest Christi Himmelfahrt bereits in der Nacht zum Donnerstag begonnen. Die unterschiedlichen christlichen Konfessionen feiern nach einem festgelegten Plan abwechselnd ihre Gottesdienste, zum Teil in Zelten.

Bereits die frühen Christen gedachten der Himmelfahrt Christi in einer Höhle auf dem Ölberg. Im Jahr 387 stiftete die fromme Jerusalemer Bürgerin Poimenia einen oktogonalen Kirchenbau, dessen großes Kreuz von weitem sichtbar war. Während des römisch-persischen Krieges wurde diese Kirche im Jahre 614 größtenteils zerstört.

Im ausgehenden 7. Jahrhundert wird ein nach oben offener Nachfolgebau erwähnt, in welchem innerhalb einer Einfassung die beiden Fußabdrücke Christi zu sehen waren (heute ist nur der rechte Fußabdruck zu sehen, der linke wurde im Mittelalter in die Al-Aksa-Moschee übertragen). Im Jahr 680 schilderte der Pilger Arculfus die Kapelle als nach oben offenen Rundbau, in dem acht große Lampen die ganze Nacht hindurch von Jerusalem aus sichtbar gewesen seien. Auch dieser Bau wurde wahrscheinlich unter dem fatimidischen Sultan Al-Hakim im Jahre 1009 zerstört.

Um 1152 wurde im lateinischen Königreich Jerusalem von den Architekten der Kreuzfahrer die heutige Kapelle errichtet. Die Kapelle ist ein einfacher Bau mit einem Durchmesser von etwa 6,60 Meter, dessen im Äußeren oktogonales Erdgeschoss von Blendarkaden mit romanischen Kapitellen geprägt ist. Das Oktogon leitet über in einen ebenfalls oktogonalen und von vier schmalen Fenstern belichteten Tambour mit abgerundeten Ecken aus der Zeit Saladins; darüber rundet eine außen wie innen schmucklose Kuppel den Bau nach oben ab. Das Gotteshaus soll mehr als 300 Jahre dem muslimischen Kultus gedient haben.

Vorbild für den Jerusalemer Felsendom

Viele Forscher sind der Ansicht, dass der achteckige Grundriss der Vorgängerbauten der heutigen Himmelfahrtskapelle als architektonisches Vorbild für den - ebenfalls oktogonalen - Jerusalemer Felsendom (um das Jahr 700) gedient haben könnte. Der Felsendom wurde von christlichen Architekten entworfen und von christlichen Arbeitern erbaut.

Das geometrische System, das den Grundriss des Felsendoms bestimmt, beruht auf zwei ineinanderliegenden, gegeneinander um 45 Grad versetzten Quadraten. Das Gotteshaus, dessen Inspiration auf der Himmelfahrtskapelle beruht, wirkt ausgewogen und vollkommen. Sein Plan gilt als Musterbeispiel antiker Esoterik und entspricht der Vorstellung der griechischen Philosophen, dass Zahlen die rationale Erfassung der Realität widerspiegeln: Der Mikrokosmos der Architektur soll die Gesetze des Makrokosmos wiedergeben.

Eine kleine Grabmoschee nächst der Himmelfahrtskapelle wird von Juden, Christen und Muslimen aufgesucht. Jüdische Pilger meinen, dort die sterbliche Hülle der Prophetin Huldah aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. zu verehren, Christen sehen dort die Jerusalemer Heilige Pelagia aus dem 5. Jahrhundert und Muslime die heilige Frau Rabia al-Adawiyya aus dem 8. Jahrhundert, nach der die Moschee benannt ist.

Insgesamt verweist die Himmelfahrtskapelle in Jerusalem auf die untrennbare Verbindung des Islams mit dem Christentum, eine Tatsache, die heute auf beiden Seiten weithin in Vergessenheit geraten ist, wie die katholischen Priester in Jerusalem aus täglicher Erfahrung sagen.

religion.ORF.at/KAP