Papst empfing Kairoer Großimam

Papst Franziskus hat Montagvormittag den Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Scheich Ahmed Ahmed al-Tajjib, empfangen. Es ist der erste Besuch eines Großimams der Al-Ashar bei einem Papst.

Mit diesem Besuch nahmen die katholische Kirche und ein führendes Lehrinstitut des sunnitischen Islam nach einer jahrelangen Krise die Gespräche auf der Spitzenebene wieder auf. Der Papst und Großimam al-Tajjib beendeten ihren rund halbstündigen Austausch mit einer Umarmung. Das Treffen selbst sei die Botschaft, sagte Franziskus laut Journalisten, die vor und nach dem Gespräch hinter verschlossenen Türen zugegen waren. Franziskus schenkte dem Großimam eine Ausgabe seiner Enzyklika „Laudato si“ und eine Medaille, die einen Olivenzweig abbildet.

Private Unterhaltung

Die private Unterhaltung, die in der Bibliothek des Apostolischen Palastes stattfand, drehte sich nach Vatikanangaben um den Einsatz religiöser Autoritäten und ihrer Gläubigen für den Frieden. Beide Seiten verurteilten demnach Gewalt und Terrorismus. Weiteres Thema war laut der Pressemitteilung die Situation der Christen im Nahen Osten.

Papst Franziskus und Großimam Ahmed al-Tajjib

APA/AP/Reuters/Max Rossi

Papst Franziskus schenkte dem Kairoer Großimam Ahmed al-Tajjib eine Ausgabe seiner Enzyklika „Laudato si“ und eine Medaille, die einen Olivenzweig abbildet

Noch vergangenen Donnerstag hatte es zurückhaltend geheißen, eine Audienz sei „in Vorbereitung“. Eine persönliche Begegnung zwischen Franziskus und dem leitenden Geistlichen der Al-Ashar-Hochschule, die als internationale Autorität für den sunnitischen Islam gilt, schien bereits Mitte März möglich.

Regelmäßiger theologischer Austausch

Al-Tajjib sprach am 15. März vor Bundestagsabgeordneten in Berlin und nahm anschließend an einer „Konferenz der Weltreligionen“ der Universität Münster teil. Für den 19. März war ein Besuch im Vatikan vorgesehen, der aber nicht stattfand.

Seit 1998 gab es einen regelmäßigen theologischen Austausch zwischen der Al-Ashar-Universität und dem Vatikan. Die Zusammenkünfte wurden Anfang 2011 von ägyptischer Seite abgebrochen. Grund waren Forderungen von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) nach einem besseren Schutz für koptische Christen vor Terror und Gewalt. Mit dem Pontifikat von Franziskus verbesserten sich die Beziehungen zwischen Vatikan und der Al-Ashar-Universität wieder. Im Dezember 2013 hatten beide Einrichtungen auf Wissenschaftsebene wieder Gespräche aufgenommen.

Pater: Muslimische Welt unterstützen

Der ägyptische Jesuitenpater Samir Khalil Samir, Dozent für Islamwissenschaft am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom, sagte im Blick auf die Tayeb-Visite gegenüber Radio Vatikan am Montag, die islamische Welt erlebe heute ihre vielleicht tiefste Krise der vergangenen Jahrzehnte. Vor diesem Hintergrund sei das Treffen von Papst Franziskus mit dem ägyptischen Großscheich von großer Bedeutung.

Der Islam erlebe heute „einen echten inneren Zusammenprall, der von der Ideologie des sogenannten Islamischen Staates ausgelöst wird“, so Samir. Diese Ideologie der Gewalt sei „inakzeptabel und tut der muslimischen Welt unrecht“. Genau deshalb sei es sehr hilfreich, heute die muslimische Welt zu unterstützen. „Es hat keinen Sinn, sie zu bekämpfen. Viel eher muss man ihr beistehen und die eigene Erfahrung anbieten. Schließlich haben wir in der katholischen Kirche ähnliche Probleme erfahren.“

Samir: Keine wörtliche Interpretation

Kernfrage der neu anknüpfenden Gespräche müsste die Interpretation des Koran sein, sagte der ägyptische Islamgelehrte. „Eine wörtliche Interpretation gerade der Stellen, die über Gewalt sprechen, ist heute unmöglich. Die Universität al-Azhar lehnt eine wörtliche Koranauslegung komplett ab.“ Allerdings beriefen sich die Ideologen des „Islamischen Staates“ auf Imame und Rechtsgutachten, die solche wörtlichen Interpretationen nicht ausdrücklich ablehnten.

religion.ORF.at/KAP

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