D: Katholikentag von AfD-Kontroverse überschattet

Von Mittwochabend bis Sonntag werden zum 100. Katholikentag im deutschen Leipzig Zehntausende Teilnehmer erwartet. Für Kontroversen sorgte im Vorfeld die Nichteinladung der rechtspopulistischen AfD.

Innerkirchlich hat sich ein Konflikt um die Nichteinladung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland zum Katholikentag entsponnen. Andere Parteien werden sehr wohl vertreten sein. So beurteilt der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes, Peter Neher, die Abwesenheit von AfD-Spitzenpolitikern auf den Podien des Katholikentags in Leipzig kritisch.

Das Gedankengut der AfD finde sich zu Teilen auch unter Katholiken in Pfarren, sagte Neher am Dienstag auf der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Leipzig. Damit müsse man sich auseinandersetzen, und Abgrenzung allein sei keine Lösung. „Die AfD - das sind nicht nur die anderen“, betonte Neher vor rund 200 Teilnehmern der höchsten katholischen Laienvertretung in Deutschland.

Ein Bischof verteilt beim Abschlussgottesdienst des deutschen Katholikentages Hostien

APA/dpa/Uwe Anspach

Zum 100. Katholikentag werden mehr als 30.000 Gläubige in Leipzig erwartet

Rechtspopulistisches Gedankengut auch in Pfarren

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bestätigte den Eindruck Nehers, dass die Verbreitung von rechtspopulistischem Gedankengut auch in den Pfarren zu finden sei. Aber das sei kein Argument für eine Einladung von AfD-Politikern zum Katholikentag, um mit ihnen möglicherweise „unter dem Beifall von Claqueuren“ zu debattieren. Stattdessen gelte es, das Gespräch an der Basis zu suchen und dort Hass und Hetze zu widersprechen. Das, so der SPD-Politiker, „ist unsere verdammte Christenpflicht“.

Das ZdK ist zusammen mit der gastgebenden Diözese Dresden-Meißen Veranstalter des Katholikentags in Leipzig. Das Laiengremium hatte sich dazu entschieden, keine Spitzenvertreter der rechtspopulistischen Partei auf ein Podium einzuladen. ZdK-Präsident Thomas Sternberg sagte dazu: „Wir sprechen selbstverständlich über die Themen der AfD, aber wir wollen in unseren Diskussionsrunden nicht einfach nur schrille Stimmen aufeinanderprallen lassen.“

Erzbischof Koch verteidigt Boykott

Auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch verteidigte den Ausschluss von AfD-Vertretern. In einem Interview für die neueste Ausgabe der Zeitschrift „Publik-Forum“ äußerte er die Befürchtung, dass andernfalls bei Veranstaltungen mit AfD-Vertretern „am Ende kein Erkenntnisgewinn steht, sondern nur noch mehr Emotionen geweckt werden und es zu einem Eklat kommt“.

„In vielen Punkten bedient das Wahlprogramm der AfD Ängste und Wut“, so der Erzbischof. Auch in Bezug auf den Islam setze die Partei auf Angst vor dem Fremden. Als Christ wolle er Ängste ernst nehmen, betonte Koch: „Es ist aber falsch, Menschen in ihrer Angst zu bestärken.“

Bayrischer AfD-Chef: Kirchen verdienen an Flüchtlingen

Der bayrische AfD-Vorsitzende Petr Bystron warf den Kirchen unterdessen vor, aus finanziellem Eigeninteresse eine weitere Zuwanderung von Flüchtlingen anzustreben. „Die vordergründig propagierte Flüchtlingsfreundlichkeit finanziert zugleich eine gigantische Wohlfahrtsindustrie unter dem organisatorischen Dach der Kirchen“, sagte Bystron am Dienstag in München.

Kirchliche Organisationen nutzten zur Gewinnmaximierung die Hilfsbereitschaft Ehrenamtlicher aus, „während sie Kommunen, Land und Bund für Aufbau und Betrieb von Flüchtlingsunterkünften saftige Rechnungen schreiben“. Die Kirchen verdienten unter „dem Deckmantel der Nächstenliebe“ Milliarden Euro, so Bystron.

Mit Blick auf den Katholikentag sprach Bystron von einer Ausgrenzung seiner Partei durch den Veranstalter. Im Gegensatz zur AfD dürften Vertreter anderer Parteien einschließlich der Linken dort auftreten, ebenso der Zentralrat der Muslime.

„Wir sind Kirche“ erwartet Reformimpulse

Die Initiative „Wir sind Kirche“ will sich beim Katholikentag für mehr Einflussmöglichkeiten für Frauen stark machen. „Papst Franziskus hat einen frischen Geist in die katholische Kirche gebracht, der in der Kirche in Deutschland noch zu wenig angekommen ist“, sagte der Sprecher der Initiative „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, der Deutschen Presse-Agentur.

Hier seien die Bischöfe in der Verantwortung. „Sie müssen die Verantwortung, die ihnen der Papst übertragen hat, auch annehmen und nutzen.“ So müssten Frauen in der katholischen Kirche mehr Einflussmöglichkeiten bekommen bis hin zum Diakonat der Frau, das überfällig sei.

Offene Diskussionen erwünscht

Weisner wünscht sich für den Katholikentag, dass die Zehntausenden Teilnehmer hörbar ihre Stimme erheben und offen diskutieren. „Das ist ja das Besondere eines Katholikentages, solche Gesprächsforen gibt es in anderen Ländern nicht.“ Wenn sich die katholische Kirche dialogfähig zeige, könne sie sich auch glaubhaft und überzeugend in der Gesellschaft darstellen.

Der 100. Katholikentag steht unter dem Leitmotiv „Seht, da ist der Mensch“. Mehr als 30.000 Dauerkarten wurden verkauft. Zudem gehen die Veranstalter davon aus, dass zusätzlich Tausende Tagesgäste kommen. Auch für Nichtchristen gibt es Angebote. Katholikentage finden in der Regel alle zwei Jahre in einer anderen Stadt statt - im Wechsel mit den evangelischen Kirchentagen.

Erstmals Videobotschaft des Papstes

Bis Sonntag stehen rund 1000 Veranstaltungen auf dem Programm, darunter Gottesdienste, Diskussionsrunden zu politischen und gesellschaftlichen Themen, Workshops und Konzerte. Zur Eröffnung wird am Abend der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck erwartet. Als Novum bei der diesjährigen Veranstaltung ist die Ausstrahlung einer Videobotschaft von Papst Franziskus auf dem Leipziger Marktplatz in deutscher Sprache geplant.

Organisiert wird der Katholikentag nicht von der Amtskirche, sondern vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Für das 100. Jubiläum haben sich die katholischen Laien eine Stadt ausgesucht, in der es nur wenige Christen gibt: Gerade mal 4,3 Prozent der rund 570.000 Einwohner Leipzigs sind katholisch, etwa zehn Prozent evangelisch. Die Veranstalter sehen in dem Treffen auch eine Art Test, welche Rolle die Kirche trotz sinkender Mitgliederzahlen in einer zunehmend glaubensfernen Gesellschaft noch spielen kann.

religion.ORF.at/dpa/KAP/KNA

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