Wahlanalyse: Katholiken keine „gleichförmige Gruppe“

Wie bestimmte Altersgruppen, Männer und Frauen, höher und weniger Gebildete bei der Bundespräsidenten-Stichwahl gewählt haben, ist bekannt; keine Daten liegen jedoch in Bezug auf das religiöse Bekenntnis vor.

Dieses Manko bedauerte der Wiener Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik in einer Nachwahlanalyse, die von der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen in deren neuer Ausgabe publiziert wurde. Zugleich wies der Wissenschaftler darauf hin, dass Katholikinnen und Katholiken „alles andere als eine gleichförmige Gruppe“ seien: Wer mit der von Rom getrennten, traditionalistischen Piusbruderschaft sympathisiere, ticke politisch anders als ein bei der Caritas Engagierter.

Keiner spricht alle an

Entsprechend würden Grüne eher Gemeinsamkeiten mit der Caritas-Linie herausstellen und sich die FPÖ zum Beispiel als Beschützerin des christlichen Abendlandes gegenüber dem Islam darstellen, sagte Ennser-Jedenastik. Keiner könne jedoch alle Katholiken ansprechen. Alexander Van der Bellen habe im Wahlkampf gleich mehrere prominente Katholiken vom Papst abwärts zitiert, die FPÖ dagegen habe die Kirchenleitung einmal direkt angegriffen: Wem die christliche Kultur wichtig sei, der müsse für Norbert Hofer stimmen; die Amtskirche habe die Menschen schon lange verraten, wurde der oberösterreichische FPÖ-Landes-Chef Manfred Haimbuchner im Wahlkampf zitiert.

Dass es im Vorfeld der Wahl zu unterschiedlichen Wahlempfehlungen aus der Kirche kam - der Salzburger Weihbischof Andreas Laun ergriff Partei für Hofer, die Katholische Frauenbewegung für Van der Bellen -, sollte in ihrer Wirkung nicht überschätzt werden. Dies würde keine „großen Wahlbewegungen“ auslösen, meinte Ennser-Jedenastik.

Würde Kardinal Christoph Schönborn eine Empfehlung abgeben, könnte sich der Wiener Politologe „eine gewisse Auswirkung schon vorstellen“, aber auch dies „eher in einem überschaubaren Bereich“. Insgesamt hält Ennser-Jedenastik das Bemühen der Kirche um Überparteilichkeit - das diesmal auf bisher unübliche Weise durchbrochen wurde - für richtig.

„Fremdenhass geht für Christen gar nicht“

Für die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak spielte in den politischen Auseinandersetzungen rund um die Wahl jenes katholische „Kulturchristentum“ eine Rolle, das nicht notwendigerweise etwas mit dem christlichen Glauben zu tun haben müsse. Vielmehr werde dieser zur Absicherung einer nationalen Identität und zur Abgrenzung gegenüber „dem“ Islam verwendet. Zwar habe das Zweite Vatikanische Konzil ausdrücklich betont, dass Christen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen in der politischen Bewertung kommen können, erinnerte Polak. Aber Hass und Hetze gegen „Fremde“ seien absolut unvereinbar mit dem christlichen Glauben.

Vom raschen Zuschütten bestehender Gräben auch innerhalb der Kirche nach dem Motto „Schwamm drüber“ hält Polak wenig. Die Kirchenzeitungen zitieren sie mit dem Aufruf: „Wir sollten die Gräben in ihrer Tiefe ausleuchten und zu verstehen versuchen, was auf ihrem Grunde zu finden ist.“ Die Theologin sieht in der Wahl auch einen Anstoß zur genaueren Betrachtung der langjährigen Praxis in der kirchlichen Verkündigung: Hier habe man lange individuellen ethischen Themen wie dem Lebensschutz mehr Raum gegeben als gesamtgesellschaftlichen, mit denen jetzt die Flüchtlingskrise konfrontiere.

FPÖ-Kalkül mit „Oben-unten-Gegensatz“

Wenn Stimmen in der FPÖ gegen die Amtskirche polemisieren, erkennt der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer darin eine Linie, die der Oppositionspartei generell zu eigen sei: „Die FPÖ setzt auf einen Oben-unten-Gegensatz: die Kirchenmitglieder gegen das ‚Establishment‘ der Amtskirche. Das entspricht der FPÖ-Linie in anderen Bereichen, dass man sich gegen ‚die da oben‘ wehren müsse.“

Es gelte zwischen der FPÖ und jenen zu unterscheiden, die sie wählen, sagte Bauer. Wenn die FPÖ mit „demagogischer Gerissenheit Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ der Menschen thematisiere, „müssen wir als Kirche Alternativen bieten - um der Menschen willen, damit Demagogen keinen Boden finden“. Der Kirche riet der Pastoraltheologe, Plattformen zu schaffen, wo sich die Menschen über ihre Hoffnungen und Ängste austauschen können - etwa in der Flüchtlingsfrage, in der ein Teil der Menschen die Linie der Kirchenleitung nicht teile.

Bauer empfahl, jene Menschen vermehrt ins Blickfeld zu nehmen, denen es materiell schlechter geht oder die einen Abstieg befürchten. Der „bisher gewohnte Wachstumspfad“ werde sich nicht in die Zukunft verlängern lassen, prognostizierte Bauer. Umso wichtiger sei es, die Menschen bei den gesellschaftlichen Umbauprozessen nicht allein zu lassen.

religion.ORF.at/KAP

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