Wiens Oberrabbiner Eisenberg geht in Pension

33 Jahre war Paul Chaim Eisenberg Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien und damit für die religiöse Leitung der Wiener jüdischen Gemeinde zuständig. Jetzt ging Eisenberg in Pension.

Ab 1. September wird ihm sein bereits designierter Nachfolger, der gebürtige Belgier Arie Folger, in der Funktion des Oberrabbiners nachfolgen. Seit 1983 hatte Eisenberg das Oberrabbinat in Wien inne, 1988 wurde er zudem Oberrabbiner des Bundesverbandes der österreichischen Kultusgemeinden. Der Autor mehrerer Bücher gilt als moderat-orthodoxer Rabbiner mit liberaler Weltsicht. Außerhalb seiner Gemeinde ist er mitunter auf Konzerten, etwa mit Klezmer-Musik, zu hören; er ist auch für seine Begabung für Anekdoten bekannt.

Interreligiöse Promiband

APA/Georg Hochmuth

Mit der interreligiösen Promi-Band „Music between Friends“ setzte Eisenberg (li.) versöhnende Zeichen

Erst Mathematik, dann Rabbinat

Paul Chaim Eisenberg wurde am 26. Juni 1950 in Wien geboren. Sein Vorgänger als Oberrabbiner war sein Vater Akiba Eisenberg, der 1948 von Ungarn nach Wien gekommen war. Von 1948 bis zu seinem Tod 1983 übte er die Funktion des Oberrabbiners aus. Sohn Paul Chaim studierte in Jerusalem, wo er 1976 den Bachelor of Hebrew Letters und zwei Jahre später auch das Rabbinerdiplom erwarb. Zuerst arbeitete er als Jugendseelsorger an der Seite seines Vaters, nach dessen Tod übernahm er das Oberrabbinat in Wien.

Eigentlich hatte Eisenberg sich als junger Mann für die Naturwissenschaften entschieden, er studierte zuerst Mathematik und Statistik. Hätte er das Studium absolviert, „wäre ich einer der besten Computerexperten Österreichs geworden“, sagte er einmal. „Plötzlich interessierte mich das nicht mehr: zu viele Zahlen, zu wenig Menschen.“

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg (im Bild mit Ehefrau Annette) bekommt von Bundespräsident Heinz Fischer das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich

APA/Robert Jäger

Bundespräsident Heinz Fischer, Paul Chaim und Annette Eisenberg anlässlich der Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich 2010

Gerne mit Menschen zu tun

Mit Menschen hatte er in der Folge viel zu tun, und zwar auch mit solchen internationaler Herkunft: Die Wiener Gemeinde lebt vom Zuzug unter anderem aus ehemaligen Sowjetrepubliken, wodurch eine „sehr schöne, vielfältige Gemeinde“ entstanden sei, wie er im Interview mit der ORF-Radio-Religion erzählte. Immer wieder wurde Eisenberg von Medien auch gern zum Thema Integration befragt, und er machte kein Hehl daraus, dass er von einer „vollkommenen Aufgabe der früheren Identität“ nicht viel hält: „Warum soll ein Türke Lederhosen tragen?“, fragte er einmal.

Nicht hinterm Berg hielt Eisenberg in der Vergangenheit auch mit seiner Meinung zur FPÖ. „Man hat die FPÖ in den Verfassungsbogen aufgenommen, die FPÖ will zeigen, dass sie von A bis Z normal ist. Ich glaube, dass sie das nur von A bis F ist, ab G nicht mehr“, erklärte er etwa 2008. Die jüdische Gemeinde habe bei der letzten Bundespräsidentschaftswahl befürchtet, Österreich könne, wenn der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer Präsident geworden wäre, international wieder so negativ dastehen wie seinerzeit durch Kurt Waldheim, sagte Eisenberg gegenüber dem ORF-Radio.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und Kardinal Christoph Schönborn anlässlich einer Mahnmal-Enthüllung im März 2008

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Paul Chaim Eisenberg setzte sich für die Verständigung zwischen Juden, Christen und Muslimen ein. Auf dem Bild mit Kardinal Christoph Schönborn

Im Einsatz für den interreligiösen Dialog

In seiner Funktion als spirituelles Oberhaupt der Juden Österreichs setzte sich Eisenberg stets für den Dialog mit Vertretern der katholischen Kirche und des Islam ein: so kam es unter ihm 1986 zum ersten offiziellen Treffen zwischen dem heutigen Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, und einem Wiener Oberrabbiner. 2010 erhielt er das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich, 2013 das Große Goldene Ehrenzeichen um Verdienste für das Land Wien.

Eisenberg ist Vater von sechs Kindern, sein Sohn hat ebenfalls die Rabbinerprüfung abgelegt. In der Öffentlichkeit bekommt der humorvolle Anekdotenerzähler bisweilen gar den Stempel „Entertainer“ aufgedrückt: Er war zum Beispiel Gast in Hermes Phettbergs „Nette Leit Show“ und bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann in der ORF-Talkshow „Willkommen Österreich“. Man habe ihm vom Besuch bei Phettberg abgeraten, blickte er zurück - das schicke sich nicht für einen Oberrabbiner. Doch „ich setze diesem tierischen Ernst derer, die glauben, sie wüssten genau, wo es langgeht, lieber ein Lächeln entgegen - und Humor“.

religion.ORF.at/APA

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