Lettland: Evangelische schaffen Frauenordination ab

In der evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands darf es künftig keine Pastorinnen mehr geben. Bei ihrer Synode am Wochenende schaffte die größte Religionsgemeinschaft des baltischen Landes die vor Jahrzehnten eingeführte Frauenordination wieder ab.

Der Beschluss habe die notwendige Dreiviertelmehrheit der 337 Delegierten für die Änderung der Kirchenverfassung erhalten, berichtete die Zeitung „Diena“ (Montag-Ausgabe). Unter dem konservativen Kirchenoberhaupt Janis Vanags, dem Erzbischof der lettischen Hauptstadt Riga, waren bereits seit mehr als 20 Jahren keine Frauen mehr ins Priesteramt eingeführt worden.

Zulassung seit 1975

In Lettland wurden Pfarrerinnen erstmals 1975 zugelassen, damals gehörte das kleine Land an der Ostsee noch zur Sowjetunion. Von 1975 bis 1985 und von 1989 bis 1992 wurden Frauen als Pastorinnen ordiniert, seit 1993 jedoch nicht mehr. Gleichwohl können bis dahin ordinierte Pastorinnen ihren Dienst weiter ausüben.

Erzbischof Vanags, Oberhaupt der mit rund 250.000 Mitgliedern größten Religionsgemeinschaft des baltischen Landes, hatte seit seiner Einsetzung als Erzbischof 1993 einfach keine Frauen mehr ins Amt eingeführt. Die Amtszeit des 58-Jährigen sei unbeschränkt, berichtete die Website evangelisch.de im Vorfeld der Entscheidung am Freitag.

Bünker: „Sehr zu bedauern“

Der Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich und Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, Michael Bünker, bezeichnet die Entscheidung in einer Presseaussendung als einen „Schlag ins Gesicht“: „Aus österreichischer Sicht ist der Beschluss sehr zu bedauern. Er zeigt eine Entwicklung in manchen Kirchen und europäischen Ländern, die eher rückwärtsgewandt als zukunftsorientiert ist.“

Michael Bünker

kathbild/Franz Josef Ruppprecht

Bischof Michael Bünker: „Rückwärtsgewandt“

Die Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa (GEKE) sei „sehr besorgt über diesen Beschluss, weil sie fürchtet, dass damit eine wesentliche Basis der Kirchengemeinschaft in Frage gestellt werden könnte“, so Bünker.

„Die Evangelischen Kirchen in Europa empfehlen seit vielen Jahren allen Kirchen, die noch keine Frauen ordinieren, dies einzuführen. Der Beschluss der lettischen Kirche ist ein Schlag ins Gesicht für die Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen. Seit vielen Jahren gibt es in der Evangelischen Kirche in Österreich Pfarrerinnen. Die Entscheidung, Frauen zu allen kirchlichen Ämtern zuzulassen, hat sich sehr gut bewährt und ist ein unverzichtbares Kennzeichen der Evangelischen Kirche geworden“, so der Bischof in seiner Stellungnahme.

Kritik und Entsetzen

Von der Öffentlichkeitsreferentin der Evangelischen Superintendentur A.B. Wien, Martina Schomaker, gab es am Montag gegenüber religion.ORF.at ebenfalls eine kritische Stellungnahme aus Österreich: „Ich bin entsetzt über diese Entscheidung. Für mich ist die Gleichberechtigung für Frauen in der Evangelischen Kirche, auch wenn es ums Pfarramt geht, selbstverständlich.“

Weitere Kritik kam aus Deutschland. „Wir sind entsetzt über diese Entscheidung, die aus unserer Sicht theologisch unhaltbar ist“, sagte dazu Susanne Kahl-Passoth, Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD). „Das Priestertum aller Getauften ist Kern der reformatorischen Botschaft, auch die Geschlechtergerechtigkeit gehört zu diesem Kern.“

Aufsicht auf Riga

APA/AFP/Ilmars Znotins

Der Erzbischof von Riga (im Bild) hat die Abschaffung der Frauenordination betrieben

„Damit ist auch die gleichberechtigte Ordination von Frauen und Männer nicht aufgebbarer Bestandteil der reformatorischen Botschaft“, so ihre Stellvertreterin Angelika Weigt-Blätgen. Die evangelischen Frauen in Deutschland setzen sich international für die Gleichberechtigung von Frauen im Pfarramt ein.

Auch Polen gegen Frauenordination

Neben Lettland lehnt auch die evangelisch-lutherische Kirche in Polen die Frauenordination ab. Auch die Kirchen des Internationalen Lutherischen Rates, unter ihnen die Selbstständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), ordinieren ausschließlich Männer. Die SELK hat in ihrer Grundordnung festgelegt, dass das Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung nur Männern übertragen werden kann, und befindet sich seit längerer Zeit in einem Beratungsprozess über diese Regelung. Auch die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen lehnen die Übertragung des ordinierten Amtes auf Frauen ab.

Der lettische Erzbischof Vanags sagte schon im Februar gegenüber dem deutschen Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea), dass die Praxis, ausschließlich Männer als Pastoren zu ordinieren, den biblischen Grundlagen und der apostolischen Tradition entspreche.

Er hatte damit auf den Protest der Hamburger Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Kirsten Fehrs, reagiert. Sie hatte in der Kieler Universitätskirche gesagt, es sei ein „Skandal“, Frauen in Lettland vom Pastorendienst auszuschließen.

religion.ORF.at/dpa/KAP/KNA

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