Vatikan: Kurz-Vorschlag zu Asyl „menschenunwürdig“

Der Vorschlag von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge sofort zurückzubringen oder auf Inseln zu internieren, stößt im Vatikan und bei der österreichischen Caritas auf Kritik.

Das respektiere nicht den Menschen und sei „menschenunwürdig“, sagte Antonio Maria Veglio, Präsident des päpstlichen Migrantenrates, im Interview mit Radio Vatikan am Dienstag. Österreich wolle das Konzept der USA oder Australiens nachahmen, die ihrerseits eine Politik umsetzten, „die meiner Ansicht nach nicht sehr menschenwürdig ist“, so Veglio.

Generell kritisierte er Europas Flüchtlingspolitik: „Europa zählt 550 Millionen Einwohner. Was ist da schon eine Million Migranten für 550 Millionen Einwohner?“, fragte der Kardinal. Man dürfe das Recht des Menschen auf Auswanderung nicht missachten, betonte Veglio. Immer öfter würden dabei Flüchtlinge ihr Leben aufs Spiel setzen.

Caritas-Präsident Landau „fassungslos“

Auch Caritas-Präsident Michael Landau übt scharfe Kritik am jüngsten Vorstoß von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Flüchtlinge zentral auf einer griechischen Insel zu internieren. „Dieser Vorschlag hinterlässt uns fassungslos“, sagte er am Dienstag im Gespräch mit der APA. Landau sieht das „australische Modell“ mit der europäischen Rechtsordnung und der Menschenrechtskonvention nicht vereinbar.

Caritas-Präsident Michael Landau

APA/Helmut Fohringer

Caritas-Präsident Michael Landau

Als „Armutszeugnis“ bezeichnete Landau den Versuch des Außenministers, „die Machenschaften von Schleppern zu bekämpfen und dabei zugleich Rechte verletzen zu wollen“. Die Rückführung von Asylwerbern, ohne deren Antrag überhaupt zu prüfen, sei rechtlich nicht zulässig und verletzte alle humanitären Standards. „Jeder Mensch hat das recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren“, sagte Landau Richtung Außenminister sowie zugleich die gesamte Regierung. Der Caritas-Präsident ortet hierbei „Gesprächsbedarf“.

Für „solidarisches Modell“

„Wer Schutz braucht, muss auch Schutz erhalten“, betonte Landau sein Prinzip in der Flüchtlingspolitik und weiter: „Wir brauchen kein australisches, sondern ein solidarisches Modell.“ In den jüngsten Ideen des Außenministers sieht der Caritas-Präsident Österreich an der Schwelle zur „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, wie Papst Franziskus die Entwicklung in der Flüchtlingspolitik bezeichnet hatte. Der Anteil von Flüchtlingen in Europa sei mit 0,2 Prozent sehr gering, die Verteilung jedoch extrem ungleich.

In der aktuellen Ausgabe der Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ (deutschsprachige Ausgabe) sagte Landau: „Die Grenze Europas darf keine Grenze des Todes sein“. Er kritisierte Fehler auf europäischer Ebene in der Asylpolitik. Die Flüchtlingskrise sei „zuallererst eine Solidaritätskrise“, die den politisch Verantwortlichen anzulasten sei.

„Viel zu lange ist darüber diskutiert worden, dass die vorhandenen Regelungen nicht geeignet sind, mit hohen Zahlen von Menschen auf der Flucht wirksam umzugehen“, wies Landau hin. Es müsse endlich zu einer gemeinsamen europäischen Lösung kommen, die sicherstellt: „Wer europäischen Boden betritt, muss anständig behandelt werden und ein faires Verfahren bekommen.“ Seiner Überzeugung nach steht Europa an einem Scheideweg. Wenn gemeinschaftliche Lösungen in Europa nicht gelingen, werde der Druck steigen, dass jedes Land Einzellösungen versucht.

Diakonie: Flüchtlinge sicher nach Europa begleiten

Die evangelische Diakonie meldete sich in einer Aussendung vom Dienstag ebenfalls zu dem Thema zu Wort: Der Vorschlag von Außenminister Sebastian Kurz bestehe aus zwei Teilen: „Einem vernünftigen Vorschlag, der Lösungspotenzial in sich trägt: nämlich Flüchtlingen auf direktem Weg in Europa Schutz zu geben. Und aus einem Teil, der menschenrechtswidrig und nicht praktikabel ist, und der außerdem mehr Probleme schafft, als er lösen kann.“

„Eines ist sicher: Europa braucht einen legalen Zugang für Flüchtlinge“, so Diakonie-Direktor Michael Chalupka in der Aussendung. „Nur wenn Europa endlich Instrumente zur legalen Einreise für Flüchtlinge schafft, und über ein Resettlement-Programm auch eine substanzielle Zahl (zwischen 300.000 und 500.000) aufnimmt, wird der Druck nachlassen, und werden sich Flüchtlinge nicht mehr in Schlepperboote setzen und ihr Leben riskieren“, so Chalupka.

„Resettlement, humanitäre Visa“

Die Instrumente die geschaffen, bzw. ausgebaut werden müssen, seien deshalb: „Resettlement, humanitäre Visa, und Asylantragstellungen über die Botschaften“, so die Diakonie. Zumindest jene Menschen, die schon seit Monaten und Jahren in zumeist völlig überfüllten Flüchtlingslagern in den Nachbarländern der Kriegsregion leben, müssten endlich ausgeflogen werden. „Andererseits ist das Zulassen von Asylanträgen in den Botschaften und europäischen Vertretungsbehörden, wie es in der österreichischen Asylpolitik früher gute Tradition war, wieder einzuführen. Das alles muss in einem Ausmaß passieren, das der Tragödie des Krieges, der in und um Syrien tobt, gerecht wird“, so der Diakonie-Direktor.

„Europa ist nicht Australien. Schon rein geographisch nicht. Europa hat eine lange Landgrenze und hat Seegrenzen, wo die Nachbarländer oft nur einen Steinwurf entfernt sind. Wer glaubt, dass diese Grenzen dicht gemacht werden können, ist naiv. Schon jetzt wird in Europa ein Großteil der Mittel in den Grenzschutz und die Abwehr investiert und nur ein kleiner Teil in die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen“, so Chalupka.

Kein Vergleich mit Australien

Europa sei aber auch menschenrechtlich nicht mit Australien zu vergleichen. „Europa hat zwei Weltkriege erlebt, mit Millionen von Opfern und Millionen von Flüchtlingen. Als Reaktion auf das millionenfache Morden hat sich Europa nach dem Krieg eine Europäische Grundrechtecharta gegeben, eine europäische Menschenrechtskonvention und einen gemeinsamen bindenden gesetzlichen Rahmen für ein gemeinsames Asylrecht.“

Aus gutem Grund seien in Österreich und Europa Gesetze und durch die Verfassung garantierte Rechte zum Schutz aller einzuhalten. „Wer geltendes Recht durch das Recht des Stärkeren ersetzen will, untergräbt dir Rechtskultur Österreichs und Europas“, so Michael Chalupka abschließend.

religion.ORF.at/APA/KAP

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