D: Metastudie zu Missbrauch in katholischer Kirche

Nach dem ersten Bekanntwerden von Missbrauchsfällen im großen Ausmaß in der katholischen Kirche im Jahr 2010 liegen nun Teilergebnisse eines Forschungsprojekts zu Ursachen und Ausmaß vor.

In die Untersuchung (Metaanalyse) flossen Studien aus neun Ländern ein, darunter Irland und den USA. Rund ein Drittel der Untersuchungen stammt aus Deutschland. Die Täter sind demnach in erster Linie Gemeindepfarrer und andere Priester (über 80 Prozent). Laut Analyse weisen 29,6 Prozent der Täter eine emotionale oder sexuelle Unreife auf, 21 Prozent sind von einer Persönlichkeitsstörung betroffen, für 17,7 Prozent wurden Merkmale von Pädophilie angegeben. Alkoholabhängig seien 13,1 Prozent der Täter.

Anders als beim Missbrauch in Schulen und anderen Institutionen zählten in der katholischen Kirche in erster Linie Buben zu den Opfern, berichtet Harald Dreßing vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Bis Ende 2017 wollen die Forscher durch das Studium von Personalakten und Interviews mit Tätern und Opfern ein genaueres Bild vom Ausmaß des Missbrauchs in Deutschland bekommen.

Mehrheitlich geplante Handlungen

Bei der Mehrheit der Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche handelt es sich laut Studie um geplante Handlungen (52,2 Prozent). Auf häufigsten ereigneten sich Übergriffe demnach in der Wohnung des Täters (24,2 Prozent), am zweithäufigsten in einer Schule (12,8 Prozent), gefolgt von öffentlichen Plätzen (10,4 Prozent) und von Übergriffen vor oder nach dem Gottesdienst (9,3 Prozent) in der Kirche oder in angrenzenden Räumen, wie die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA berichtete.

Insgesamt zogen die Forscher für die Metaanalyse nach eigenen Angaben 40 Studien über die katholische Kirche und 13 über andere Einrichtungen heran. Das gesamte Forschungsprojekt, das aus sechs Teilprojekten besteht und im vergangenen Jahr begonnen wurde, soll Ende 2017 abgeschlossen sein.

Fälle dokumentieren, Täter aus dem Verkehr ziehen

Über die Missbrauchsfälle im österreichischen Stift Kremsmünster wird ein Buch erscheinen. In der auf Interviews basierenden Studie wurden 350 Fälle sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt ausgemacht, 24 Personen wurden beschuldigt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Diagnose des ausarbeitenden Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) lautete „Systemversagen“.

Im April hatte Papst Franziskus mit einem Rechtsdokument, einem sogenanntes Motu proprio, festgelegt, dass Bischöfe, die Fällen sexueller Gewalt gegen Minderjährige in der katholischen Kirche nicht nachgehen, ihr Amt verlieren sollen. Zu den bereits im Kirchenrecht behandelten schwerwiegenden Fällen, die von der Kirche bestraft werden, wie zum Beispiel Besitz von kinderpornografischem Material, gehöre nun auch Nachlässigkeit im Umgang mit Fällen von Pädophilie - mehr dazu in Missbrauch: Bischöfe sollen Amt verlieren können.

Missbrauchsbeauftragter: Kirche muss Namen nennen

Der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat als Reaktion auf die Teilstudie von der katholischen Kirche mehr Transparenz bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs gefordert. „Die Kritik der Betroffenen kann ich sehr gut nachvollziehen. Transparenz ist das A und O“, sagte Rörig der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag-Ausgabe).

Die Aufarbeitung müsse mit so vielen Details wie möglich erfolgen. „Dafür ist auch die Nennung von Namen erforderlich, und zwar nicht nur der Täternamen. Es müssen auch diejenigen in den Blick genommen werden, die Täter geschützt haben“, forderte Rörig. Insgesamt wurden rund 12.900 dokumentierte sexuelle Vergehen von Kirchenmännern in neun Staaten ausgewertet. Die Wissenschaftler wollen in Deutschland neun Diözesen unter die Lupe nehmen. Es geht aber nicht um Namensnennung oder Strafverfolgung.

religion.ORF.at/dpa/KNA

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