„Vatileaks“: Drama rund um die letzte Verhandlung

Im „Vatileaks 2“-Prozess um die Veröffentlichung geheimer Dokumente im Vatikan hat die finale Verhandlung begleitet von dramatischen Worten und Gesten stattgefunden. Auf Facebook wurden Rachegelüste gepostet, im Gericht eine Kopie der Verfassung präsentiert.

Der angeklagte Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi erschien bei der letzten Gerichtsverhandlung am Donnerstag mit einer Kopie der italienischen Verfassung in der Hand.

Kritische Worte auf Facebook

„In der italienischen Verfassung ist das Prinzip verankert, dass Medien keiner Zensur unterzogen werden dürfen. Heute wird erstmals in der Geschichte der Kirche ein vatikanisches Gericht ein Urteil über einen Journalist fällen, der angeklagt ist, weil er seine Arbeit getan hat“, kommentierte Nuzzi auf seiner Facebook-Seite. Das Verfahren bezeichnete der Journalist als „absurd“. Für Nuzzi hatte die vatikanische Staatsanwaltschaft ein Jahr Gefängnis auf Bewährung gefordert. Die Urteilsverkündung wird am Donnerstagnachmittag erwartet.

Gianluigi Nuzzi (li.) und Emiliano Fittipaldi auf dem Weg zu ihrem Prozess im Vatikan

APA/EPA/ANSA/Ettore Ferrari

Die Angeklagten: Enthüllungsjournalist Gianluigi Nuzzi, hinter ihm Berufskollege Emiliano Fittipaldi

Vor Gericht in dem Kirchenstaat stehen drei Angeklagte, die Informationen an Journalisten weitergeleitet haben sollen, und zwei Journalisten, die diese publiziert haben. Neben Nuzzi ist auch der Enthüllungsjournalist Emiliano Fittipaldi angeklagt. Für ihn plädierte die Anklage mangels Beweisen auf Freispruch.

„Die Rache einer Unschuldigen“

Die PR-Expertin Francesca Immacolata Chaouqui soll laut der vatikanischen Justiz zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt werden. „Ich bin bereit, als Unschuldige hinter Gitter zu landen“, sagte die Frau, die erst vor wenigen Wochen Mutter geworden ist. Als Mitglied einer vatikanischen Wirtschaftsprüfungskommission, die Missstände im vatikanischen Finanzgebaren aufdecken sollte, habe sie viel vertrauliches Material gesammelt.

Die italienische PR-Agentin Francesca Chaouqui auf dem Weg zum Gericht im Vatikan

APA/AFP/Andreas Solaro

Die angeklagte PR-Expertin Francesca Immacolata Chaouqui sagte, sie werde sich nicht rächen

„Ich könnte alles den Journalisten weitergeben, die vor dem Vatikan warten. Daraus könnte man ein schwarzes Buch über die vatikanischen Finanzen schreiben. Das wäre eine gerechte Rache zur Besänftigung der Wut einer unschuldigen Person. Doch ich werde nichts Derartiges tun“, schrieb Chaouqui auf Facebook.

Für den spanischen Priester Lucio Vallejo Balda wurde eine Haftstrafe von drei Jahren und ein Monat beantragt, für seinen Mitarbeiter Nicola Maio ein Jahr und neun Monate. Die Verteidigung fordert für alle Freisprüche. Das Verfahren läuft seit November.

Bücher als Auslöser der Ermittlungen

Die zwei Journalisten Nuzzi und Fittipaldi hatten im November Bücher veröffentlicht, in denen sie dem Vatikan unter anderem maßlose Geldverschwendung vorwerfen. Sie stützen sich dabei auf Dokumente aus der Kurie, die ihnen von den anderen drei Angeklagten zugespielt worden sein sollen.

Die Angeklagten werden beschuldigt, unerlaubt Dokumente an sich gebracht und veröffentlicht zu haben, die laut Vatikan „fundamentale Interessen des Heiligen Stuhls und des Staates betreffen“. Wegen des Prozesses wird der Vatikan kritisiert, europäische Normen zum Schutz der Pressefreiheit zu missachten.

religion.ORF.at/APA

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