Kinofilm thematisiert „Tabuthema“ Spätabtreibung

Das jüngste Werk der deutschen Regisseurin Anne Zohra Berrached erzählt von einem Paar, das sich aus heiterem Himmel mit der Frage einer Spätabtreibung nach 24 Wochen Schwangerschaft konfrontiert sieht.

Der Film hat bei der diesjährigen Berlinale auf sich aufmerksam gemacht. Mit seinem Ringen um die Antwort auf eine Frage von Leben und Tod ist er schwere Kost. Dennoch bewahrt er eine erstaunliche Leichtigkeit, die ihn viel zugänglicher macht als sein Thema vermuten ließe. Das liegt nicht zuletzt an den überzeugenden Hauptfiguren, die es auch in Momenten schwerer Gewissensnot nicht an Menschlichkeit und Wärme fehlen lassen.

"24 Wochen" ein Spielfilm über Spätabtreibung mit Bjarne Mädel und Julia Jentsch

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Astrid (Julia Jentsch) und ihr Ehemann Markus (Bjarne Mädel) freuen sich auf Nachwuchs. Doch ein Routine-Arztbesuch bringt das Familienglück ins Wanken

Diagnose Down-Syndrom

Astrid (Julia Jentsch) ist eine erfolgreiche Kabarettistin. Mit ihrem Partner und Manager Markus (Bjarne Mädel) erwartet sie ihr zweites Kind. Da trifft sie eine bittere Nachricht: Bei ihrem Sohn wird Trisomie 21, das Down-Syndrom, diagnostiziert. Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die beiden mit vereinten Kräften in die neue Situation einfinden. Sie entscheiden sich gegen eine Abtreibung, bereiten sich auf die besonderen Umstände vor und freuen sich auf ihr Kind.

Filmhinweis
„24 Wochen“ - Das intensive Porträt einer Frau, die in einen großen moralischen Konflikt geworfen wird.
Regie: Anne Zohra Berrached
Mit: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Johanna Gastorf, Emilia Pieske
Filmstart in Österreich: 24. 9. 2016
„24 Wochen“ im Internet

Aber dann wird bei dem Fötus auch noch ein schwerer Herzfehler festgestellt. Während des Aufklärungsgesprächs mit zwei Ärzten bleibt die Kamera lang auf Astrids Gesicht, in dem die Verzweiflung wächst. Eine Woche nach der Geburt, erklärt man ihr, müsste das Kind am offenen Herzen operiert werden. Weitere schwere Eingriffe würden folgen – mit ungewissem Ausgang. „Ich möchte konkret wissen, was wir tun können“, fragt Astrid nach längerer Debatte. Die Antwort des Spezialisten: „Sie können nichts tun.“ Die Mutter habe keine Möglichkeit, die Gesundheit ihres Kindes auf irgendeine Weise positiv zu beeinflussen.

"24 Wochen" ein Spielfilm über Spätabtreibung mit Bjarne Mädel und Julia Jentsch

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24 Wochen ist Astrid schwanger, als sie erfährt, dass das Kind in ihrem Leib vermutlich behindert geboren werden wird

Markus bleibt bei seiner Haltung. Er will das Kind auch jetzt. Aber er muss lernen, dass nicht er, sondern sie die Entscheidung treffen wird. Und für Astrid erscheint nach der niederschmetternden Diagnose alles in neuem Licht.

Schwere Entscheidung

Im Gespräch mit dem ORF Religionsmagazin Orientierung erzählt Anne Zohra Berrached, wie sich ihre eigene Wahrnehmung verändert hat. Zunächst sei sie überzeugt gewesen, dass sie sich in einer ähnlichen Lage höchstwahrscheinlich gegen eine Abtreibung entscheiden würde. Doch dann habe sie angefangen, für den Film zu recherchieren und das Drehbuch zu schreiben.

„Mittlerweile weiß ich: Es gibt bestimmte Dinge im Leben, die man aus dem Trockenen heraus schwer entscheiden kann.“ In der Begegnung mit zahlreichen Frauen, die sich für eine Spätabtreibung entschieden haben, wurde ihr auch bewusst, dass es aus einer schweren Entscheidung wie dieser kein einfaches Entrinnen gibt. Auch eine Abtreibung macht die Schwangerschaft nicht ungeschehen und bleibt als unverwirklichte Möglichkeit in Erinnerung. „Ob du dich für oder gegen das Kind entscheidest: Du wirst es dein Leben lang mitnehmen. Das geht nicht spurlos an dir vorbei.“

Julia Jentsch bleibt in jeder Filmsekunde glaubwürdig. In ihrer Darstellung wird die Entwicklung von der erfolgsgewohnten Komödiantin zur schwer erschütterten, einsam um die richtige Entscheidung ringenden Frau nachvollziehbar. Gemeinsam mit ihrem Filmpartner Bjarne Mädel trägt sie viel zur Überzeugungskraft des Filmes bei.

Viele Absagen für Hauptrolle

Dabei war es schwierig, überhaupt eine Schauspielerin für die Rolle der Astrid zu finden, erzählt Anne Zohra Berrached. Bestimmt ein Jahr lang habe sie gesucht. Alle anderen Rollen seien bereits besetzt gewesen, aber für die Hauptrolle habe es zahlreiche Absagen gegeben. Tatsächlich bedeutet die Rolle eine große emotionale Herausforderung - vor allem dann, wenn die Darstellerin im realen Leben noch ein Kind möchte. Die Identifikation mit der Rolle bleibt einer Schauspielerin aber nicht erspart. „Man muss mit mir zusammen durch diese Schlacht gehen wollen“, sagt Berrached. Julia Jentsch habe den notwendigen Mut dazu aufgebracht. „Sie hatte keine Angst. Sie sagte: ‚Los, das machen wir jetzt zusammen.’“

"24 Wochen" ein Spielfilm über Spätabtreibung mit Bjarne Mädel und Julia Jentsch

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Familie und Freunde versuchen mit gutgemeinten Ratschlägen zur Seite zu stehen, doch letztendlich ist es Astrid, die die Entscheidung zwischen Leben und Tod auf sich nehmen muss

Die Recherchen waren intensiv. Anne Zohra Berrached hat Dutzende Gespräche mit betroffenen Paaren und Medizinern geführt, bevor sie sich mit Ko-Autor Carl Gerber daran machte, das Skript zu verfassen. In dem Film agieren neben Schauspielerinnen und Schauspielern wirkliche Ärzte und – in einer zentralen Szene – auch eine wirkliche Hebamme. Das Ergebnis ist ein beklemmend realistischer Film, der verständlich macht, durch welche Hölle Betroffene gehen können. Dabei ist es tröstend zu sehen, wie Astrid und Markus es schaffen, sich in dieser schweren Bewährungsprobe nicht aus den Augen zu verlieren.

„Was würden Sie tun?“, fragt Astrid die Hebamme. Die antwortet mit einem zentralen Satz des Filmes: „Es gibt Entscheidungen, die man nur trifft, wenn man sie treffen muss.“ „24 Wochen“ kommt am Freitag in österreichische Kinos.

Christian Rathner, für religion.ORF.at

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