D: Streit über Mitgliedschaft in jüdischer Gemeinde
Seit mehr als zehn Jahren streitet sich ein französisches Ehepaar mit der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt/Main um eine Mitgliedschaft wider Willen. Der Fall hat schon das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt - und wurde am Mittwoch zum zweiten Mal vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt. Dort unterlag das Paar, nachdem es 2010 in Leipzig ursprünglich Recht bekommen hatte. Ein von den Richtern vorgeschlagener Vergleich zur gütlichen Einigung scheiterte.
Gemeinde „zu orthodox“
Das Paar will festgestellt wissen, dass es 2002 nach seinem Umzug von Frankreich nach Frankfurt nicht Mitglied der Gemeinde geworden ist. Die Eheleute lehnen die Frankfurter Gemeinde als zu orthodox ab. Sie fühlen sich einem liberalen Judentum zugehörig. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht 2014 festgestellt, dass die automatische Mitgliedschaft aufgrund der im Melderegister angegebenen Religion „mosaisch“ rechtens war. Die Kläger beriefen sich danach auf ihre in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantierte Religionsfreiheit.
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„Mosaisch“ sei in Synonym für „jüdisch“, hatten die Karlsruher Richter entschieden. Mit dieser Angabe auf dem Meldebogen hätten die Kläger ihren Willen, Mitglied der Gemeinde zu werden, ausreichend bekundet. Die Satzung der Frankfurter Gemeinde sieht vor, dass alle Personen jüdischen Glaubens mit einem Wohnsitz in der Bankenmetropole Mitglied werden, wenn sie nicht binnen drei Monaten ihren Austritt erklären.
114.000 Euro Synagogensteuer
An die Vorgaben aus Karlsruhe sahen sich die Leipziger Richter gebunden - auch wenn sie mit Blick auf die EMRK Zweifel hegten. Der Anwalt der Eheleute kündigte an, gegen dieses Urteil erneut Verfassungsbeschwerde einzulegen und notfalls auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen. „Meine Mandaten kommen aus Frankreich, wo es den Laizismus gibt. Sie verstehen das alles überhaupt nicht“, sagte der Anwalt.
Weil der Streit schon so lange schwelt, hatten die Leipziger Richter einen Vergleich vorgeschlagen. Das Paar solle die Hälfte der verlangten Synagogensteuer zahlen. Für ein knappes Jahr steht bei den Gutverdienern ein Betrag von rund 114.000 Euro zu Buche. Der Klägeranwalt wollte zustimmen, doch Marc Grünbaum, Vorstand der Gemeinde, lehnte ab. „Die Jüdische Gemeinde Frankfurt verhandelt grundsätzlich nicht über Steuern. Insofern kommt eine Einigung für uns nicht infrage“, sagte er. Der Streit wird also weitergehen.
religion.ORF.at/dpa