Theologie: Ringen um „Kampfbegriff“ Gender

Die „Gender-Debatte“ als kritische Anfrage an patriarchalisch geprägte Strukturen der katholischen Kirche - das war am Freitag Thema eines Symposions in Wien.

„Gender“ dient innerkirchlich als „Kampfbegriff“ im Dienst einer biologistischen Sicht auf die Geschlechterrollen und wird in diesem Kontext als „ideologisch“ abgelehnt - ohne eigene männlich dominierte Voreingenommenheiten zu erkennen. Das wurde am Freitag im Rahmen des Symposions „Die Rolle von Frauen in politischen und kirchlichen Entscheidungsprozessen“ deutlich, das die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien von 22. bis 25 September veranstaltet.

Öffnung der Weiheämter für Frauen

Wie Saskia Wendel, Professorin für Systematische Theologie in Köln, in der Diskussion im Otto-Mauer-Zentrum darlegte, ist die Genderdebatte immer auch eine kritische Anfrage an patriarchalisch geprägte Strukturen der katholischen Kirche. Ihrer Überzeugung nach muss auch die Öffnung der Weiheämter für Frauen vorangetrieben werden - ein Themenbereich, in dem es keine dogmatischen Sperrlinien gebe.

Gäbe es die, wäre also dogmatisch festgelegt, dass die Hälfte der Gläubigen ungeeignet sei, im liturgischen Kontext Gott zu repräsentieren, „dann müssten die Frauen eigentlich gehen“, so Wendel. Die Debatte um das biologische - engl.: „sex“ - und das soziale Geschlecht - „gender“ - berühre somit immer auch Machtfragen: „Man sagt Gender und meint eigentlich etwas ganz anderes.“

Gender als „identitätsstiftender Marker“

Laut der Kölner Theologin trifft sich die kirchliche „Gender“-Ablehnung auch mit gesellschaftlich-politischen Strömungen: Rechtspopulistische Kräfte wie die AfD verwendeten „Gender“ als „identitätsstiftenden Marker“, wie Wendel erklärte. Theologinnen und Theologen müssten demgegenüber den Mut zu einer politischen Theologie haben, die mühsam errungene Freiheiten und Menschenrechtsstandards gegen demokratiegefährdende Machtansprüche verteidigt.

Das bedeute konkret etwa Kritik an der „Instrumentalisierung kirchlicher Traditionen“, die sich etwa im Begriff „christliches Abendland“ zeige. Die Theologie dürfe sich hier nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen, appellierte Wendel, „sie hat eine politische Aufgabe“.

Schwinden geschlechtlicher Eindeutigkeit

Die Münsteraner Professorin für Christliche Sozialwissenschaften, Marianne Heimbach-Steins, zeigte in ihrem Eröffnungsvortrag am Donnerstagabend „Bruchlinien und Paradoxien in der Katholischen Kirche“ auf. Dem Schwinden geschlechtlicher Eindeutigkeit werde kirchlicherseits mit dem Pauschalvorwurf begegnet, Geschlechterdifferenz werde von der Gender-Forschung generell geleugnet, dadurch heterosexuelle Beziehungen angegriffen und „Familien zerstört“. Dabei spielten noch Vorstellungen mit, die die naturwissenschaftlich noch gar nicht so lange bekannte Rolle der weiblichen Eizelle bei der Fortpflanzung ignorieren.

Bibel in patriarchalischem Kontext

Laut Heimbach-Steins wird auch die in einem patriarchalischen Kontext entstandene Heilige Schrift und deren wiederum patriarchalische Rezeptionsgeschichte in Dienst genommen. Die Theologin verwies auf die einseitige Deutung der biblischen Schöpfungsberichte: Der später entstandene von diesen liefere mit der Aussage, dass Mann und Frau als Abbild Gottes geschaffen seien, viel Befreiungspotenzial. In der Tradition sei aber öfter von der Erschaffung Evas aus der Rippe Adams die Rede gewesen, noch dazu unter dem Blickwinkel des darauf folgenden Sündenfalls mit Eva als „Versucherin“.

Heimbach-Steins sieht Fortschritte im katholischen Geschlechterverständnis und in der Aufwertung von Frauen in der Kirche und nannte als Beispiele die Etablierung der Feministischen Theologie, immer mehr Frauen in der theologischen Forschung, eine „ansatzweise“ Beteiligung von Frauen an der Kirchenleitung sowie zunehmende rhetorische Sensibilität unter männlichen Verantwortungsträgern. Diese Fortschritte stünden jedoch nicht für eine lineare Entwicklung und seien immer wieder mit Gegenbewegungen konfrontiert.

religion.ORF.at/KAP

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