Theologen: Luther bleibt ökumenischer Zankapfel

Martin Luther und seine Theologie sind auch 500 Jahre nach seinem berüchtigten Thesenanschlag von Wittenberg ein ökumenischer Zankapfel, zeigte ein Kathpress-Interview mit den Wiener Theologen Jan-Heiner Tück (katholisch) und Christian Danz (evangelisch).

Tatsächlich entscheide die „jeweilige theologische Brille“ darüber, wie der Reformator heute erscheint: als „Katalysator der neuzeitlichen Freiheitsgeschichte“ oder doch eher als ganz im mittelalterlichen Denken verhafteter Mystiker mit starken Vorbehalten gegen Juden und Muslime. Keinen Zweifel ließen Danz und Tück daran, dass Luther bis heute wichtige Impulse geben könne, auch wenn Luther „kein Zeitgenosse mehr“ sei.

Die beiden Theologen äußerten sich aus Anlass einer großen internationalen Luther-Tagung („Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen“), die vom 5. bis 7. Oktober an der Universität Wien stattfindet und für die beide verantwortlich sind.

Rechtfertigungslehre mit Zukunft

Zukunftspotenziale ortete Tück in Luthers Theologie der Rechtfertigung und in seiner Kreuzestheologie: So bekomme die Botschaft von der Rechtfertigung des Menschen allein aus Glauben eine ungeahnte Aktualität in einer „von gnadenlosen Leistungsimperativen dominierten Gesellschaft“. In einem solchen „Reizklima“ könne es geradezu eine entlastende Funktion haben, „an einen Gott zu erinnern, der den Menschen anerkennt - ganz unabhängig davon, was er leistet, wie er vor anderen dasteht“.

Profilansicht einer Martin-Luther-Statue

APA/dpa/Peter Endig

Eine Statue zum Gedenken an Martin Luther

Danz wiederum verwies auf Luthers Kirchenverständnis und dessen Unterscheidung zwischen einer sichtbaren und unsichtbaren Kirche. Damit entstehe eine notwendige Distanz zur weltlichen Institution Kirche, die - gleichwohl notwendig - doch immer auch der Kritik bedürfe. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe diesen reformatorischen Impuls sehr wohl aufgegriffen, so Tück - etwa dort, wo es Kirche neu als Mysterium beschreibe, in dem Göttliches und Menschliches zusammenkomme.

Kritik an „Konsens-Ökumene“

Kritik übte der Theologe Danz am ökumenischen Dialog der vergangenen Jahrzehnte. Dieser sei zu stark auf „Konsens-Ökumene“ hin ausgerichtet gewesen, mit dem Ziel einer „Vereinigung unter der Ägide Roms“. Dies sei jedoch „ein falscher Weg“ gewesen.

Ziel in der Ökumene müsse vielmehr eine „Anerkennung bleibender Differenzen“ sein, mahnte Danz. Alles andere würde der Tatsache nicht gerecht, dass die Reformation tatsächlich eine „eigenständige Kirche und eigenständige Theologie“ hervorgebracht habe.

„Bleibende Differenzen“

Tück stimmte dem prinzipiellen Befund zu, dass es „bleibende Differenzen“ gebe, „die man auch in der Ökumene nicht vorschnell einebnen“ sollte. Es sei nicht klar zwischen den Kirchen, „welche Art von Einheit wir eigentlich anstreben“.

Einer gegenseitigen Zulassung zu den Sakramenten als vorausgehender Schritt in der Ökumene erteilte Tück indes eine Absage: Sakramente wie die Eucharistie seien nicht „Motor oder Katalysator der Einheit“, sondern eine erklärte Kirchengemeinschaft müsse die Voraussetzung sein, gemeinsam Sakramente feiern zu können. „Solange es die Differenzen im Ämter- und Kirchenverständnis gibt, kann es auch keine Einheit im Sakrament geben.“

„Christusfest“ ist „Unsinn“

Scharfe Kritik übte Danz darüber hinaus am gemeinsamen Vorschlag von EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx, das Reformationsgedenken als gemeinsames „Christusfest“ zu begehen.

Bedenke man, dass das Reformationsjubiläum eigentlich der „Vergewisserung der eigenen Identität“ diene und damit einer Vergewisserung der religiösen Freiheit, so sei es „Unsinn, wenn man das Feierjahr zu einem ‚Christusfest‘ stilisiert“. Gleichzeitig plädierte Danz dafür, in einer Zeit verwischender konfessioneller Unterschiede diese wieder stärker zu profilieren, da es nicht dienlich in der Ökumene sei, über faktische Unterschiede einfach hinwegzusehen.

„Konfessionellen Säbelrasseln“ vorbei

Tück hingegen betonte, dass er der Suche nach „konfessionsverbindenden Allianzen“ durchaus etwas abgewinnen könne, bedenke man etwa, dass die Gruppe der Konfessionslosen weiter wachse und es eines gemeinsamen christlichen Zeugnisses bedarf.

„Die Zeit des konfessionellen Säbelrasselns ist vorbei. Daher sollte das Gemeinsame über das Trennende gestellt werden, ohne die Unterschiede zu nivellieren“, sagte Tück.

religion.ORF.at/KAP

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