Asyl: Kirchen gegen Notverordnung

Die katholische Bischofskonferenz hat sich gegen eine Asylnotverordnung ausgesprochen und sieht keinen Anlass für einen öffentlichen Notstand aufgrund der Flüchtlingssituation. Die evangelische Kirche befürchtet eine Erosion der Menschenrechte.

Die katholischen Bischöfe Österreichs lehnen den Entwurf der Regierung für eine Sonderverordnung im Asylwesen ab. In der von Generalsekretär Peter Schipka gezeichneten Begutachtungsstellungnahme werden „erhebliche Bedenken in Bezug auf die Einhaltung menschenrechtlicher Schutzstandards“ erhoben. Die evangelische Kirche kritisiert unter anderem den Umstand, dass in der Verordnung der Begriff „Gefährdung“ verwendet wird, ohne dass diese genauer definiert werde. Kritik kommt auch von UNHCR und Caritas.

Argumente für Bischöfe nicht überzeugend

Die Regierung will mit der Notverordnung sicherstellen, dass bei Erreichen eines Höchstwerts von 37.500 Asylanträgen das Einbringen entsprechender Ansuchen deutlich erschwert wird. Dazu hat sie einen Begutachtungsentwurf vorgelegt, in dessen Erläuterungen umfassend dargelegt wird, wieso Österreich beispielsweise sozial-, gesundheits- und finanzpolitisch von einem weiteren größeren Flüchtlingsstrom überlastet wäre. Sofort in Kraft treten soll die Verordnung allerdings nicht sondern erst, wenn man sich dem Höchstwert nähert.

Kardinal Christoph Schönborn umringt von Bischöfen

APA/Robert Jaeger

Österreichs katholische Bischöfe haben menschenrechtliche Bedenken bezüglich der geplanten Asylnotverordnung

Die Religionsvertreter haben sich von den Argumenten der Regierung nicht überzeugen lassen. Diese seien nur schwer nachvollziehbar, heißt es in der am letzten Tag der Begutachtung (Mittwoch) veröffentlichten Stellungnahme der katholischen Bischofskonferenz. Darüber hinaus sei „darauf hinzuweisen, dass es die politischen Verantwortungsträger zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch selber in der Hand haben, ob sie das Land in eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung führen oder nicht“.

Menschenrechtliche Bedenken

In der Stellungnahme heißt es, dass die im Verordnungsentwurf „implizit enthaltene Feststellung, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit Österreichs seien bereits heute gefährdet, nur schwer nachvollziehbar ist.“ Gleichzeitig bekräftigen die katholischen Bischöfe ihre menschenrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Verschärfung des Asylrechts.

Dass in Österreich keine Notstandssituation vorhanden sei, begründet die Bischofskonferenz u.a. mit dem starken Engagement bei der Flüchtlingshilfe. „Die verschiedenen Hilfsorganisationen, nicht zuletzt die unzähligen Freiwilligen, tragen auch derzeit dazu bei, dass die behauptete Gefährdungslage nicht entsteht“, so die Bischöfe.

Fehlende Definition der „Gefährdung“

Die evangelische Kirche bemängelt in ihrer Stellungnahme vom Mittwoch die fehlende Definition des in der Verordnung verwendeten Begriffs „Gefährdung". Dieser berge einen verfassungsrechtlich bedenklich weiten Auslegungsspielraum, insbesondere hinsichtlich der Frage, ab wann eine derartige ,Gefährdung’ vorliegt.“

Darüber hinaus wäre es bei Inkrafttreten der Verordnung wichtig, Vereinbarungen mit den betreffenden Nachbarstaaten zu treffen, um im Falle eines Rückstaus jenen Menschen qualifizierte Hilfeleistung aus Österreich ermöglichen zu können, die sich vor der österreichischen Grenze befinden und auf notwendige humanitäre Hilfe angewiesen sind, so die evangelische Kirche.

Begleitmaßnahmen nötig

Neben der menschenrechtlichen Problematik hebt die evangelische Kirche auch die praktischen Schwierigkeiten durch die Verordnung hervor. So würde etwa die Zurückweisung potentieller Asylwerber am Grenzzaun bereits an der mangelnden Sprachkenntnis der jeweils Beteiligten scheitern.

„Damit diese - menschenrechtlich problematischen - Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 überhaupt im Sinne dieses Gesetzes umgesetzt werden könnten, wären sohin zwingend zahlreiche Begleitmaßnahmen erforderlich, die zum Teil einer längerfristigen Vorbereitung bedürfen“, so die evangelische Stellungnahme.

Warnung vor Folgewirkungen

Die katholische Bischofskonferenz warnt von den Folgewirkungen der Asylverschärfung: Das geplante Vorgehen „würde jedenfalls ähnlich restriktive Dynamiken in anderen Staaten der Europäischen Union begünstigen und damit das ohnehin schon derzeit schwer zu koordinierende Asylwesen im Bereich der Europäischen Union einer gemeinsamen Lösung noch weiter entziehen“.

Schon im April hatten sich die Bischöfe gegen die gesetzlichen Asylverschärfungen ausgesprochen, die ab dem Erreichen von 37.500 Asylanträgen im heurigen Jahre in Kraft treten sollen. Das novellierte Gesetz ist Grundlage für die jetzt geplante Verordnung des Innenministeriums. Die Bischöfe kritisierten damals am Gesetz, dass es das bestehende Recht auf Asyl „maßgeblich einschränkt“.

„Nicht akzeptabler Eingriff in Grundrechte“

Die neue gesetzliche Möglichkeit, nach Erreichen der Obergrenze keine Asylanträge mehr anzunehmen und zu bearbeiten, beurteilte die Bischofskonferenz als einen „nicht akzeptablen Eingriff in die Grundrechte betroffener Menschen auf Asyl“. Menschen in Not müsse weiterhin ein „effektiver Zugang zum Asylsystem offenstehen“, und dazu brauche es ein faires und individuelles Asylverfahren, betonten die Bischöfe.

Auch die Caritas zeigt sich in ihrer Stellungnahme „ausgesprochen besorgt über die geplante Defacto-Abschaffung des Zugangs zum Asylrecht“. Es drohten grundlegende Menschenrechte auf mehrfacher Weise verletzt zu werden. Nach Einschätzung der Organisation sind die geplanten Maßnahmen verfassungs- und europarechtswidrig.

„Kausalitäten so nicht haltbar“

Weder kann die katholische Hilfsorganisation einen Notstand noch eine Gefährdung der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit erkennen: „So werden als Gründe teils seit Jahren bestehende strukturelle Probleme herangezogen, Kausalitäten und Konnexe hergestellt, die so nicht haltbar sind, nicht nachvollziehbare Zahlen angegeben und unvollständige Bilder gezeichnet.“

Ebenfalls wenig mit den Argumenten der Koalition anfangen kann das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Verwiesen wird auf rückläufige Asylzahlen aber auch darauf, dass im Vorjahr im Verhältnis weniger Asylwerber angezeigt wurden als in früheren Jahren. Angeprangert wird weiters, dass mit den Sonderbestimmungen künftig der Zugang zu Asylverfahren für Schutzsuchende in Österreich massiv eingeschränkt werde. Zudem seien Rückschiebungen in Nachbarländer ohne rechtsstaatliche Mindestgarantien vorgesehen.

religion.ORF.at/APA/epdÖ/KAP

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