500 Jahre Reformation: Religions- und Kulturereignis

Ein Jahr lang wird Deutschland ab dem 31. Oktober 2016 den Reformator Martin Luther feiern, der vor 500 Jahren seine Thesen gegen den Ablasshandel an die Wittenberger Schlosskirche genagelt haben soll.

Ganz Deutschland widmet sich dem Reformationsjubiläum, das sich nicht nur in Luther-Stätten wie Wittenberg und Eisenach abspielen wird. Mit Kirchentagen, Ökumenischen Gottesdiensten und Sonderausstellungen sind auch Städte wie Hildesheim, Leipzig, Jena, Trier und Bochum eingebunden. Ein Stationenweg soll weite Teile Europas erreichen und die ökumenische Komponente hervorheben. Der „Kirchen-Truck“ fährt 67 Städte in 19 Ländern an und landet im Mai in Wittenberg - die geruhsame Stadt in Sachsen-Anhalt, die im Zentrum der Großveranstaltungen steht, rüstet sich für den Ansturm.

Stationen von Luthers Leben

Kirchenführung und Tourismusbehörden stehen vor enormen Herausforderungen. Mit mindestens einer Million Gästen wird gerechnet. Bärbel Grönegres, Tourismus-Chefin von Thüringen, betont die Verbindung der drei Bundesländer mit Luther-Stätten bei der Vermarktung des „Luther Country“, von Eisleben (Geburt), über Erfurt (Studium) bis zur Wartburg (Bibel-Übersetzung) und Wittenberg (Thesen). Man wolle Interesse für Luthers Gedankengut wecken.

Statue von Martin Luther mit aufgeschlagener Bibel

APA/dpa/Peter Endig

Martin Luther gilt als Hauptfigur der Reformation

Elke Harjes-Ecker, Kulturbeauftragte der Landesregierung, ergänzt, bei dem Religions- und Kulturereignis „geht es uns auch um die Vermittlung von Werten“. Der Bildungsgedanke Luther im Sinne von Bildung auch für das Volk solle vermittelt werden. Projekte zur Aufarbeitung der komplizierten Landesgeschichte werden im Zuge des Jubiläums gefördert. Thüringen werde als Musikland (Johann Sebastian Bach) auch mit einem reichen Programm aufwarten, woran viele Kirchen mitwirken.

Gottesdienst und Kunstbetrachtung

Thüringen ist „steinreich“, formuliert es Bischöfin Ilse Junkermann. Es beherbergt 4.000 Kirchen und Kapellen, etwa 20 Prozent des Bestandes der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Über 170 Burgen und Schlösser hat das Land unter seiner Obhut. Erfurt, dessen Altstadt im Krieg von Bombardierung verschont blieb, hat sein christlich-jüdisches Viertel für das UNESCO-Kulturerbe nominiert. Die heutige jüdische Gemeinde hat laut Harjes-Ecker 800 Mitglieder, von denen ein Teil aus Russland zuzog.

Der Superintendent von Wittenberg, Christian Beuchel, sieht trotz aller Mega-Events im Reformationsjahr keine Gefahr, dass die Spiritualität auf der Strecke bleibt. Gottesdienste sollten im Zentrum stehen, die Kirchen zugleich als architektonische Kunstwerke präsentiert werden. Die Einheimischen mussten sich erst mit dem erwarteten Massenansturm anfreunden, seien aber stolz auf ihre Luther-Stadt. Die Kirche kooperiere auch mit Schulen, was im DDR-Kommunismus verboten war.

Ein altes, aufgeschlagenes Buch

APA/dpa/Jan-Peter Kasper

Lutherbibel aus dem Jahr 1540 mit handschriftlichen Notizen eines Assistenten Luthers, die sich auf den Anschlag der 95 Thesen beziehen

Zeit für Geschichtsaufarbeitung

Beuchel erinnert daran, dass Luther vor dem Jubiläum der 80er Jahre plötzlich für die SED-Führung ein Held wurde. Doch in den Schulbüchern blieb der Reformator „ein Fürstenknecht“. Jugend-„Segnungsfeiern“ ersetzten die Konfirmation und Weihnachtsfeiern. Der Streit um ein anti-jüdisches Relief in Wittenberg sei nicht ausgestanden. Beuchel ist gegen eine Entfernung: „Das ist ein Stachel im Fleisch.“

Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige hebt im Jubiläumsprogramm die Ökumenische Rom-Fahrt hervor, die auf Initiative der Katholischen Jugend erfolgt und von einem Besuch bei Papst Franziskus gekrönt wird. Erfreut ist er auch über die Sonderausstellung „Dialog der Religionen“ in Zeitz, Sachsen-Anhalt. Das Mitmachen der Katholiken setze voraus, dass es „keine Luther-Festspiele“ und „kein Deutschtümeln“ geben werde.

Mit dem „Reformations-Tourbus“ durch Europa

Eröffnet werden die Feiern am 31. Oktober 2016 in der Berliner Marienkirche. Den Abschluss bildet ein Jahr später ein Open-Air-Gottesdienst mit Festakt in Wittenberg. Bundesweit wurde der 31. Oktober 2017 zum Feiertag erklärt. Christof Vetter vom Organisationsverein erläutert den Stationenweg, der am 3. November in Genf, dem Sitz des Ökumenischen Rates und des Lutherischen Weltbundes, startet. Ein riesiger LKW wird auf der Fahrt durch 19 Staaten Europas, von Turku bis Sibiu, von Prag bis Rom, sieben Mal die Alpen überqueren. Er macht auch in Wien, Graz und Villach Station.

Die Kirchentage in mitteldeutschen Städten haben jeweils eigene Programme. Der Abschluss in Magdeburg wird von den Taize-Brüdern mitgestaltet. In Wittenberg werden auf eine Ausschreibung hin Themenwege und „Tore der Freiheit“ gestaltet. Die Idee, Flüchtlingsboote zu sinnvollen Objekten umzugestalten, kam laut Vetter von der Uni Salzburg. Von Mai bis September werden elf Jugendlager abgehalten, mit 25.000 Jugendlichen, unter ihnen bis zu 6.000 Pfadfinder. Vetter: „Die Zukunft kann man nur mit jungen Menschen gestalten.“

Neuübersetzung der Lutherbibel

EKD-Koordinatorin Margot Käßmann unterstreicht die intensive Beteiligung staatlicher Stellen. Die revidierte Luther-Bibel wird am 30. Oktober in Eisenach präsentiert. Im März 2017 geht es in Hildesheim um „Healing of Memories“. Die heikle Materie „Luther und das Judentum“ wird abgehandelt. Ausstellungen finden zum Thema „Der Luther-Effekt“ (Berlin), „Luther und die Deutschen“ (Wartburg/ Eisenach) und „Luther - 95 Schätze“ (Wittenberg) statt. Im Juni darf dort die traditionelle Hochzeitsfeier Luthers mit Katharina von Bora nicht fehlen. In Leipzig trifft sich die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Im September feiern Trier und Bochum Ökumenische Feste.

religion.ORF.at/APA

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