Jom Kippur: Sich ausklinken aus dem Alltag

Jom Kippur, der Versöhnungstag und höchste jüdische Feiertag, wird in Israel mit völliger Abstinenz vom sonst Alltäglichen gefeiert. Es wird nicht gegessen, getrunken, auf viele materielle Dinge wird verzichtet.

Jom Kippur (Tag der Versöhnung) findet am 10. Tischri, nach dem jüdischen Kalender ein Monat im September oder Oktober, statt. Heuer ist das der zwölfte Oktober. An diesem Tag stehen Reue, Buße und Umkehr im Mittelpunkt der Gebete, „denn an diesem Tag entsühnt man euch, um euch zu reinigen. Vor dem Herrn werdet ihr von allen euren Sünden wieder rein“ (3. Buch Mose 16,30).

Es ist ein strenger Fasttag, an dem auch jegliche Art von Arbeit verboten ist. Auch viele nicht strenggläubige Juden halten Jom Kippur ein. Die Tage vor dem Feiertag wird eingekauft, geputzt und vorbereitet. Ein Festmahl vor Beginn des Feiertags leitet den Versöhnungstag und damit das 25-stündige Fasten ein. In den Familien zünden die Frauen und Mädchen vor Einbruch der Nacht Kerzen an.

Die leeren Straßen zu Jom Kippur

Reuters/Ammer Awad

Leere Straßen werden zu großen Freizeitparks

Innigkeit und Verzicht

Jom Kippur gehen im Anschluss an das jüdische Neujahr (Rosch ha-Schana) zehn „Bußtage“ voraus, in denen man sich von „Sünden“ abwenden kann. Schließlich erfolgt zu Jom Kippur die Besiegelung des Eintrags in das Buch der Gerechten oder eben Ungerechten beziehungsweise ins Buch des Lebens oder des Todes durch Gott. Der Versöhnungstag selbst wird betend in den Synagogen verbracht. Durch Fasten, den Verzicht auf Kosmetika, die ruhende Arbeit und sexuelle Enthaltung soll Freiheit von weltlichen Dingen gewährleistet werden - im Vordergrund steht die Beziehung zu Gott.

In Israel sind weder Geschäfte noch Restaurants geöffnet, es erscheinen keine Zeitungen und es gibt kein Fernsehprogramm. Zu Jom Kippur steht auch der Verkehr in Israel still, die Straßen werden nur von Einsatzfahrzeugen befahren, die menschenleeren Straßen werden von Fahrradfahrern und Fußgängern bevölkert. Viele verzichten auf das Tragen von Leder und sind weiß gekleidet.

Teilnehmer am Taschlich-Gebet in Israel

Reuters/Amir Cohen

Das Tschlich-Ritual wird an offenen Gewässern oder in Becken vollzogen]

Sünden loswerden

Symbolisch für die Sünden werden in einem Ritual (Tschlich) Brotbrösel in Gewässer oder Becken geworfen, um sich zu reinigen. In einigen ultraorthodoxen Kreisen wird das Entsühnungsritual Kapparot durchgeführt. Dabei schwingen Gläubige am Vorabend des Festtags ein lebendiges Huhn dreimal über dem Kopf und rezitieren eine Formel, die ihre Sünden symbolisch auf das Tier überträgt. Danach wird das Tier rituell geschlachtet und an Bedürftige gespendet.

Auch der „Sündenbock“ hat hier seinen Ursprung. In der Zeit des Zweiten Tempels (etwa 515 v. Chr. bis zu seiner Zerstörung 70 n. Chr.) wurden zu Jom Kippur symbolisch die Sünden des israelitischen Volkes einem Ziegenbock aufgeladen und dieser in die Wüste gejagt.

Ein Schofarhorn-Bearbeiter bläst ein Schofar

Reuters Photographer

Der Klang des Schofarhorns beendet Jom Kippur

Den Abschluss von Jom Kippur ist das Neila, das einzige Gebet, bei dem der Schrein, der die Thora-Rollen enthält, von Anfang bis Ende geöffnet bleibt. Das Ende des Versöhnungstags markiert der Klang des Schofarhorns - des Widderhorns.

In Israel wird Jom Kippur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begangen. Aus Furcht vor palästinensischen Anschlägen sollen in Jerusalem mehr als 3.000 Polizisten Wache halten. Ab kommendem Sonntag wird dann eine Woche lang das jüdische Laubhüttenfest Sukkot gefeiert.

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