Neuer Pilgerrekord für Jakobsweg erwartet

Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela bricht immer neue Rekorde. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erhielten nach Angaben des dortigen Pilgerbüros 240.420 Ankömmlinge ihre „Compostela-Urkunde“.

Diese Zahl liegt deutlich über jener aus dem bisherigen Rekordjahr 2010, bei dem es am Ende 272.412 waren. Noch nicht in die aktuellen Zahlen hinzugerechnet sind die Pilger ab Oktober, unter ihnen auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, der das Wallfahrtsziel in der Vorwoche nach 25-tägigem Fußmarsch ab den französischen Pyrenäen erreichte.

Steintafel auf dem Jakobsweg

ORF.at/Ivana Martinovic

Landschaftlich reizvoll: Der Jakobsweg

Im Vorjahr wurde mit ganzjährig 262.459 die zweithöchste jemals dokumentierte Pilgerzahl erreicht. Gegenwärtig halte der Boom auch im Oktober an, hieß es. Um die Urkunde zu erhalten, muss man durch Stempel im Pilgerausweis nachweisen, mindestens die letzten 100 Kilometer bis Santiago zu Fuß oder die letzten 200 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt zu haben.

Schwierige Quartiersuche

Da besonders in den zulaufstarken Sommermonaten die Quartiersuche in Herbergen und Gasthöfen schwierig sein kann, weichen Pilger zunehmend auf andere Termine aus. An einigen Oktobertagen trafen mehr als tausend Menschen in der Stadt des heiligen Apostels Jakobus ein.

Die meistgenutzte Route im bisherigen Jahresverlauf war den Angaben zufolge erneut der sogenannte Französische Weg von den Pyrenäen her. Auch andere Strecken gewinnen an Zugkraft, vorrangig der „Küstenweg“ und der „Portugiesische Weg“.

Wirtschaftsfaktor Wallfahrten

Die Jakobus-Wallfahrten bedeuten für Spanien einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Laut einem Beitrag der galizischen Regionalzeitung „Faro de Vigo“ gaben die Pilger im Vorjahr insgesamt 272 Millionen Euro aus. Das entspreche einem Durchschnitt von gut 1.000 Euro pro Person, inklusive An- und Abreisekosten.

Kurz vor dem Ziel: Pilger in Richtung Santiago de Compostela

Reuters/Susana Vera

Kurz vor dem Ziel: Pilger in Richtung Santiago de Compostela

Gewöhnlich setzen Pilger unterwegs ein Tagesbudget von etwa 35 Euro für Unterkunft, Verpflegung und kleine Sonderausgaben an. Zu den offiziell beurkundeten Pilgern gesellen sich in Santiago de Compostela alljährlich mehrere Millionen Besucher aus aller Welt.

Wichtiger Pilgerweg seit Mittelalter

Neben Jerusalem und Rom war Santiago de Compostela schon im Mittelalter der wichtigste christliche Wallfahrtsort. Um das Jahr 830 war das Grab mit den mutmaßlichen Gebeinen des Apostels Jakobus des Älteren gefunden worden. König Alfons III. der Große von Asturien ließ 896 über der Fundstätte eine Basilika errichten. Eine Statue des Heiligen wird gern berührt, geküsst und fotografiert. Sein besonderes Symbol ist die Jakobsmuschel, die auf vielen Ornamente zu sehen ist und von Pilgern auch heute noch zum Beispiel an Hüten getragen wird.

´

König Juan Carlos von Spanien küsst die Statue des heiligen Jakob in der Kathedrale Santiago de Compostela

APA/AFP/Xoan Crespo/picturedesk.com

König Juan Carlos von Spanien mit der Statue des heiligen Jakob in der Kathedrale Santiago de Compostela

Der Apostel Jakob (Jakobus) hatte nach der Überlieferung versucht, das von den Römern beherrschte Spanien zum Christentum zu bekehren. Nach seiner Rückkehr nach Jerusalem wurde er im Jahr 44 enthauptet. Anhänger sollen seine Überreste später mit einem Boot nach Spanien gebracht haben; einer anderen Überlieferung zufolge waren die Reliquien des Heiligen eine Leihgabe von Kaiser Justinian (482-565) an das Katharinenkloster im Sinai. Dort seien seine Überreste dann vor den Muslimen nach Spanien gerettet und dort vergraben worden.

Der Legende nach beobachtete ein spanischer Hirte eine Lichterscheinung über einem Feld, das ihn zu einer Grabstelle führte. Der herbeigerufene Bischof Teodomiro „identifizierte“ (vermutlich 834) das Grab als das des heiligen Jakob. An dieser Stelle erhebt sich heute die Kathedrale von Santiago, eine der imposantesten Kirchen Spaniens. Jakob ist bis heute der Schutzheilige Spaniens. Die Echtheit der Gebeine gilt als keineswegs erwiesen.

Große politische Bedeutung

Die Entdeckung der Grabstätte konnte für das Christentum damals allerdings zu keinem günstigeren Zeitpunkt erfolgen. Weite Teile Spaniens standen unter der Herrschaft der Mauren. Das Reich der Karolinger trachtete nach Expansion. Die Öffnung des Jakobsweges führte dazu, dass die kleinen Fürstentümer in Nordspanien geeint wurden und die Christen bei ihren Feldzügen gegen die Mauren neuen Auftrieb erhielten.

Es entstanden verschiedene Pilgerstraßen durch Frankreich, Spanien und Portugal nach Santiago de Compostela, die zugleich wichtige Handelsstraßen waren und wesentlich zur Vermittlung und Verbreitung nicht nur des christlich-kulturellen Geistesgutes, sondern auch der Architektur und Kunst beitrugen. Sie funktionierten auch als Kommunikationsnetz von großer geistesgeschichtlicher Bedeutung für Europa.

Ein hartes Pflaster

Bereits im 12. Jahrhundert überzog ein dichtes Netz von Pilgerwegen Süd- und Mitteleuropa. Dabei war der Jakobsweg durchaus ein hartes Pflaster: Pilger wurden häufig überfallen und ausgeraubt, auch Prostitution war weit verbreitet. Neben den fast zahllosen Verästelungen und Zubringerwegen gab es (je nach Zählung) vier bis sechs Hauptrouten durch Frankreich.

In den 1980er-Jahren riefen Papst Johannes Paul II. (1978-2005) und der Europarat zur Wiederbelebung der Jakobswege auf. Seither hat auf dem ganzen Kontinent eine Renaissance dieser „europäischen Kulturbewegung“ eingesetzt, wie die von Jahr zu Jahr steigende Zahl von Pilgern belegt.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Link: