Paris: Orthodoxes Zentrum öffnet ohne Putin und Kyrill

Nach jahrelanger Planungs- und Bauzeit hat am Mittwoch in Paris das neue orthodoxe Zentrum seine Pforten geöffnet. Sowohl Russlands Staatspräsident Wladimir Putin als auch der Moskauer Patriarch Kyrill I. sagten die Teilnahme an der Weihe der Kathedrale ab.

Hintergrund für die Absage waren offenbar aktuelle politische Spannungen zwischen Frankreich und Russland in der Syrien-Krise. Aus der Umgebung des Patriarchen wurde der 4. Dezember als möglicher neuer Termin für einen Paris-Besuch genannt. Zuletzt hatte es massive Differenzen zwischen Russland und Frankreich über den Syrien-Konflikt gegeben. Beide UNO-Vetomächte lehnten im Weltsicherheitsrat gegenseitig Resolutionsentwürfe ab.

Die neu eröffnete orthodoxe Kathedrale Sainte-Trinite in Paris

Reuters/Philippe Wojazer

Die neu eröffnete orthodoxe Kathedrale Sainte-Trinite in Paris

Die Dreifaltigkeitskathedrale, deren Weihe nun aufgeschoben wurde, ist Teil eines neuen, vom Kreml finanzierten kulturell-religiösen Zentrums am Seine-Ufer. Die goldenen Kuppeln der Kathedrale des Moskauer Patriarchats, für dessen Errichtung Moskau laut Medienberichten rund 100 Millionen Euro investierte, dominieren den Quai Branly in der Nähe des Eiffelturms.

Zweieinhalb Jahre Bauzeit

Die Bauarbeiten auf dem mehr als 4.000 Quadratmeter großen Areal am Seine-Ufer hatten im März 2014 begonnen. Die Pläne für den Prestigebau stammen von dem Pariser Architekten und Stadtplaner Jean-Michel Wilmotte. Neben der Kathedrale entstand ein Gemeindezentrum mit Unterkünften für Priesterseminaristen, eine Schule für 150 Kinder sowie ein Kulturzentrum.

Gerüchte über Insider-Informationen

In der unmittelbaren Nachbarschaft am Quai Branly befinden sich auch Dienststellen des Elysee-Palastes. In französischen Medien hatte es nach einem Bieterwettstreit um das Filet-Grundstück Spekulationen gegeben, Russland habe das höchste Gebot aufgrund von Insider-Informationen abgeben können, nachdem sich die damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew und Nicolas Sarkozy vorab verständigt hätten. Frankreich dementierte das. Der Mitbieter Saudi-Arabien wollte auf dem Gelände eine Moschee errichten.

In Paris gibt es bereits mehrere russisch-orthodoxe Kirchen. Bis auf eine sind diese jedoch nicht dem Moskauer Patriarchat, sondern dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstellt. Historischer Hintergrund ist die Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche nach der Oktoberrevolution 1917, als sich die vor den Kommunisten geflohenen Exilrussen Konstantinopel unterstellten.

Patriarch traf Königin Elizabeth II.

Die im Vorfeld des nun geplatzten Frankreich-Besuchs organisierte viertägige Großbritannien-Visite von Patriarch Kyrill hat indes wie geplant stattgefunden. Zum Abschluss seiner England-Reise traf der russisch-orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. am Dienstag im Londoner Buckingham Palast mit der britischen Monarchin Königin Elizabeth II. zusammen.

Patriarch Kyrill in der Londoner russisch-orthodoxen Kirche

APA/AP/Alastair Grant

Patriarch Kyrill in der Londoner russisch-orthodoxen Kirche

Kyrill I. sprach nach Angaben seines Sprechers mit Elizabeth II. vor allem über das religiöse Erstarken Russlands in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Auch die „Lage des Christentums in Europa“ sei erörtert worden. Als Gastgeschenk überreichte der Patriarch der Königin, die auch weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche von England ist, eine Marien-Ikone. Die Queen schenkte Kyrill I. ein Bild von sich und ihrem Ehegatten.

Werben für bessere Beziehungen

Zuvor hatte der Patriarch am Sonntag bei einem Gottesdienst in London für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien geworben. Das Verhältnis beider Länder ist unter anderem wegen Moskaus Rolle im Syrien-Krieg und in der Ukraine-Krise belastet. Kyrill I. gilt als wichtige Stütze von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin. Im Vorfeld war der Empfang des Patriarchen durch die Queen unter anderem von der Londoner Tageszeitung „The Times“ kritisiert worden.

„Heiliger Krieg gegen Terrorismus“

Der Patriarch selbst rief im Rahmen einer Begegnung mit Medienvertretern in London zu einem „heiligen Krieg gegen den Terrorismus“ auf. „Wir müssen unsere Liebsten, unsere Verwandten, die Länder und Völker vor dem Terrorismus beschützen“, sagte er vor Journalisten. Die Terroristen griffen das „heilige Geschenk des Lebens“ an.

Kyrill I. betonte zugleich, er habe den Krieg in Syrien nie als „heilig“ bezeichnet. Eine Moskauer Ansprache vom Mai sei falsch verstanden worden. Russland unterstützt in Syrien die international isolierte Regierung des Landes mit Luftangriffen und Bodentruppen. Wegen der russischen Bombardierung der nordsyrischen Stadt Aleppo erwägt die EU Sanktionen gegen Moskau.

Er glaube, dass die Terroropfer in Frankreich und Belgien dem Begriff „heiliger Krieg gegen den Terrorismus“ zustimmten, so der Patriarch. Seinen Worten solle allerdings „keine politische Bedeutung“ beigemessen werden. Auch der Kampf gegen Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg sei ein heiliger Krieg gewesen.

Erste EU-Reise seit 2014

Die Großbritannien-Reise Kyrills war die erste eines russisch-orthodoxen Patriarchen seit 1991. Damals hatte Alexij II. (1990-2008) das Land besucht. 1994 empfing Alexij II. die Queen in Moskau. Seit 1962 gibt es eine eigene russisch-orthodoxe Eparchie (Diözese) für Großbritannien und Irland mit 46 Pfarren.

Vor dem Hintergrund der international angespannten Lage wegen der Ukraine-Krise hat Kyrill I. seit Frühjahr 2014 auf Reisen in die EU verzichtet. So verschob er einen geplanten Lettland-Besuch auf Bitten der Regierung in Riga auf unbestimmte Zeit. Lediglich das russische Panteleimon-Kloster auf dem Heiligen Berg Athos im Norden Griechenlands besuchte er im Mai.

Offizieller Anlass des viertägigen Besuchs des Moskauer Kirchenoberhaupts in London war das 300-jährige Bestehen der ältesten russisch-orthodoxen Pfarre in Großbritannien. Sie wurde 1716 gegründet, nachdem Zar Peter der Große die Errichtung einer Kirche für die russische Botschaft in Großbritannien angeordnet hatte.

religion.ORF.at/KAP/KNA