Schönborn-Brief an Kern: Mindestsicherung beibehalten

Kardinal Christoph Schönborn hat in einem Brief dringend an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) appelliert, sich für den Erhalt der bestehenden Mindestsicherung einzusetzen.

„Die aufgeheizte und leider nicht immer sachliche Debatte rund um die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfüllt mich mit großer Sorge“, so Schönborn in dem Brief, den er bereits am 12. Oktober an Kern verfasste und der religion.ORF.at am Montag exklusiv vorliegt.

Es sei in Österreich „immer ein breit getragenes Anliegen von Politik und Gesellschaft“ gewesen, auch Menschen, „die noch keine oder nicht ausreichend viele Ansprüche aus Versicherungsleistungen erwirtschaftet haben, eine würdevolle Existenz zu ermöglichen“, schreibt der Kardinal. Das Schreiben erging gleichlautend auch an Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und den steirischen Landeshauptmann und Vorsitzenden der Landeshauptleute-Konferenz, Hermann Schützenhofer (ÖVP).

Screenshot eines Briefs von Kardinal Christoph Schönborn

Kardinal Christoph Schönborn

Auszug aus dem Brief Schönborns an Kanzler Kern

Kinder müssen nicht „im Müll nach Essen suchen“

„Dieser Konsens ist einer der Gründe, warum in Österreich Menschen nicht gezwungen sind, auf der Straße zu schlafen, keine Kinder im Müll nach Essen suchen müssen und die Sicherheitslage eine der besten in ganz Europa ist“, so Schönborn weiter. Mit der Mindestsicherung sei „in guter Weise dafür erstmals ein österreichweit harmonisiertes Regelwerk geschaffen“ worden, das sich am tatsächlichen Bedarf der Menschen orientiere, freilich unter strengen Auflagen.

Komplexe Verhandlungen, aufgeheizte Debatte

„So muss unter anderem das Vermögen bis auf einen sehr geringen Betrag verwertet werden. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, das Ihnen Mögliche zu unternehmen, damit diese soziale Errungenschaft erhalten bleibt und fortgesetzt wird. Ich bin mir bewusst, dass die Weiterführung der Art. 15a Vereinbarung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung komplexe Verhandlungen erfordert und dass die Debatte derzeit aufgeheizt ist“, so der Brief an Kern im Wortlaut.

„Es ist und bleibt aber eine ganz zentrale Frage der sozialen Gerechtigkeit, Armut zu vermeiden und zu bekämpfen“, so der Kardinal weiter. Dazu müssten Wege zur Selbsterhaltungsfähigkeit und Arbeitsmarktintegration geöffnet werden, „wo immer möglich Wege zu Arbeit, von der man leben kann, damit vor allem Kinder aus armutsbetroffenen Familien, seien diese alleinerziehend oder kinderreich, sichere Perspektiven haben“.

„Weiterhin einheitliche Regelung“

„Wir brauchen dringend auch weiterhin eine einheitliche Regelung vom Burgenland bis nach Vorarlberg. Diese Regelung muss verfassungskonform sein und dem EU-Recht entsprechen.“ Ein zentrales Thema sei hier aber auch der einheitliche Vollzug, so Schönborn. Eine Mindestsicherung müsse sich an der Realität der notleidenden Menschen orientieren, „wobei, wie wir aus der Erfahrung der Caritas wissen, vor allem die Wohnkosten durch angemessene Sach- oder Geldleistungen menschenwürdig abgedeckt werden müssen“.

Kardinal Christoph Schönborn gestikulierend

APA/Georg Hochmuth

Kardinal Christoph Schönborn

„Meine große Sorge liegt auch in der Art und Weise begründet, wie über die Mindestsicherung derzeit diskutiert wird. Ich wünsche mir mehr Behutsamkeit und Achtsamkeit, wenn über Menschen in Not und auch Menschen auf der Flucht gesprochen wird, weil es zuallererst um Menschen geht. Die Würde des Menschen ist unteilbar, und das gilt für alle Menschen gleichermaßen. Populistische Verkürzungen schaden der Diskussion und allen Menschen, die Unterstützung brauchen“, so der Wiener Erzbischof.

„Bitte Sie inständig“

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung sei das letzte soziale Netz, das einen Absturz der Menschen in Not und Elend verhindere. „Bitte tragen Sie dazu bei, dass dieses Netz nicht ausgedünnt wird. Es trägt zum sozialen Frieden in unserem Land bei, der für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft unerlässlich ist. Ich bitte Sie inständig, sich in den laufenden Verhandlungen dafür einzusetzen, dass es auch im Jahr 2017 eine österreichweit einheitliche und einheitlich vollziehbare Regelung zur Mindestsicherung gibt, für unser Land und für die Menschen, die hier wohnen.“ Der Brief schließt mit „herzlichen Segenswünschen“ und ist mit „Ihr Christoph Kardinal Schönborn“ unterzeichnet.

religion.ORF.at

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