Geistliche und Politiker bei EU-Dialog zu Integration

Geistliche Oberhäupter und die EU-Kommission haben am Dienstag bei einem Treffen in Brüssel zu einer engeren Kooperation bei der Integration von Migranten in Europa aufgerufen.

Religiöse Führer spielten eine zentrale Rolle beim Ansporn zur Integration ihrer Gläubigen in Europa, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans beim jährlichen Austausch zwischen Religionsvertretern und der EU-Kommission, an dem aus Österreich Oberrabbiner Arie Folger teilnahm. Durch den Austausch zwischen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften würden die gemeinsamen Werte identifiziert, statt ständig über Themen zu reden, die die Gemeinschaften trennten, wurde betont.

Der Vizepräsident der EU-Bischofskommission ComECE und Präsident der Nordischen Bischofskonferenz, Bischof Czeslaw Kozon, betonte, dass die Flüchtlingsfrage nicht von einem Land alleine gelöst werden könne. Es müssten internationale Initiativen folgen, so der Bischof von Kopenhagen.

„Keine Pflicht“ zur Aufnahme

Folger sagte in Brüssel, dass es zur Aufnahme von Flüchtlingen keine Pflicht geben könne. Er schätze Menschen, die teilen wollten, „manchmal fehlt es am Willen zum Teilen“. Bei der Migration gehe es um „Brüderlichkeit“. Er sei für eine Eingliederung, „aber wir können niemanden wirklich verpflichten. Hier von Pflicht zu sprechen, ist eine falsche Haltung“, meinte er. Anstatt von Pflicht zu reden, „werde ich sie überzeugen müssen“.

Margot Käßmann und Heinrich Bedford-Strohm

Milena Schlösser

Der deutsche evangelische Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der ebenfalls an dem Treffen teilnahm, rief dazu auf, mehr miteinander als übereinander zu reden.

Man müsse diese Ängste ansprechen und den Menschen nicht vorschnell Etiketten anheften, die einen Dialog unmöglich machten, so Bedford-Strohm. „Wir verurteilen Hass und Hetze, aber wir verurteilen nie den anderen Menschen“, so Bedford-Strohm. Zum demokratischen Miteinander gehöre auch die Kunst, andere Meinungen auszuhalten und miteinander zu streiten.

Imam lobt christliche Einrichtungen

Der Direktor der islamischen Gemeinde Penzberg, Imam Benjamin Idriz, lobte das Engagement der christlichen Einrichtungen in der Flüchtlingskrise. „Christliche Einrichtungen haben sich vielleicht noch mehr für die Flüchtlinge engagiert als die Muslime“, sagte Idriz. Es sei nun wichtig, gemeinsam an einer gelingenden Integration der Migranten zu arbeiten und Werte wie Toleranz, Achtung, Religionsfreiheit und Menschenwürde dabei in den Vordergrund zu stellen.

Vor elf Jahren hatte der damalige EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso den Dialog zwischen EU-Institutionen und Religionsgemeinschaften eingeführt. Später wurde er in Artikel 17 des Vertrags von Lissabon fest verankert.

Warnung vor kurzsichtiger Strategie

Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte Arie Folger am Mittwoch, christliche Würdenträger hätten in Brüssel darauf hingewiesen, dass in ihren jeweiligen Kirchen sehr unterschiedliche Meinungen zu dem brisanten Thema vorhanden seien. „Es gibt einen Konsens, dass man etwas tun muss und dass die Menschenliebe im Vordergrund stehen soll, und dass man die Leute vereinigen muss in dieser Haltung. Aber es gibt keinen Anspruch, dass dieser Konsens auch der Konsens auf der Straße ist“, sagte der Oberrabbiner.

Der Oberrabbiner Arie Folger

APA/Roland Schlager

Oberrabbiner Arie Folger

Folger warnte vor einer kurzsichtigen Strategie im Umgang mit der Flüchtlingskrise. Polizeidaten etwa aus Deutschland und Frankreich zeigten klar, dass nicht die erste Generation, sondern die zweite oder dritte Schwierigkeiten bei der Akzeptanz europäischer Werte hätten und straffällig würden.

Zweite Generation

„Man muss aufpassen: Die Integration besteht nicht nur aus der Aufnahme von neuen Flüchtlingen, aus Sprachunterricht und Versorgung mit Arbeit und Dach über dem Kopf. Erst wenn die zweite Generation gut integriert ist, kann man sagen, dass man richtig erfolgreich ist - wenn sie sich mit Europa identifizieren und die liberaldemokratischen Werte Europas zu ihren eigenen gemacht haben“, so der Nachfolger von Paul Eisenberg.

Das verlange die richtigen Schritte auf beiden Seiten, von Migranten und Aufnahmeländern: „Denn man muss sich integrieren wollen, und man muss die Möglichkeit haben.“

Formen des Antisemitismus

Antisemitismus in Europa kommt heute nach den Worten des Oberrabbiners aus verschiedenen Richtungen. Folger unterschied zwischen rechtsextremem, linksextremem und radikalmuslimischem Antisemitismus, „und man soll nicht den einen Antisemitismus allein sehen und die anderen Arten vergessen“.

In Papst Franziskus sieht der neue Wiener Oberrabbiner, der seit 1. September im Amt ist, einen sehr guten Alliierten: „Wir freuen uns sehr über bestimmte Aussagen von Papst Franziskus, die wesentlich dazu beitragen, dass Menschen bewusst wird, dass der Antisemitismus manchmal breiter ist, als man berichtet.“

religion.ORF.at/KAP

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