Jakarta: Massendemo gegen christlichen Gouverneur

Bei einer Großkundgebung in der indonesischen Hauptstadt Jakarta haben erneut mehr als 200.000 Muslime gegen einen christlichen Gouverneur protestiert, der sich abfällig über den Koran geäußert haben soll.

Die Demonstranten verlangten am Freitag den Rücktritt und die Festnahme von Basuki Tjahaja Purnama wegen angeblicher Blasphemie - was in dem mehrheitlich muslimischen Land eine Straftat darstellt. Es war bereits die zweite Großkundgebung gegen Purnama; nach der ersten Demonstration vor einem Monat hatte die Justiz angekündigt, Ermittlungen wegen des Verdachts auf Blasphemie gegen den Politiker aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaft hat Purnama bereits vernommen und will den Fall vor Gericht bringen.

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Vorwurf des Koran-Missbrauchs

Purnama ist sich keiner Schuld bewusst. Er warf politischen Gegnern vor, sie missbrauchten den Koran, um ihm eine zweite Amtszeit zu verwehren.

Sie hätten eine bestimmte Sure so interpretiert, dass Muslime keinen Nicht-Muslim als ihren Anführer wählen könnten. Der Gouverneur betonte später, dass er keineswegs den Koran kritisieren wollte, sondern nur seinen Gegenkandidaten. Die öffentliche Empörung vieler Muslime in Indonesien, das eigentlich für eine vergleichsweise tolerante Lesart des Islam bekannt ist, konnte Purnama damit aber nicht dämpfen. Er gilt als wichtiger Verbündeter des indonesischen Präsidenten Joko Widodo.

Weitgehend friedliche Demonstranten

Die Polizei hatte nach eigenen Angaben rund 22.000 Beamte im Einsatz. Die Kundgebung verlaufe friedlich, sagte ein Polizeisprecher. Die Demonstranten versammelten sich in der Freitag Früh(Ortszeit) rund um das Monumen Nasional im Zentrum Jakartas. Das Denkmal symbolisiert den Kampf um die Unabhängigkeit Indonesiens. Die in weiß gekleideten Demonstranten hielten Plakate hoch, auf denen sie die Festnahme Purnamas forderten. Bei dem ersten Protest Anfang November war es zu Ausschreitungen gekommen.

Muslimische Demonstranten in Jakarta

APA/AP/Achmad ibrahim

Mehr als 200.000 Muslime demonstrieren in Jakarta gegen den christlichen Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama

Widodo versuchte zu Mittag, die Demonstranten zu beruhigen. „Lasst uns jetzt alle friedlich nach Hause gehen“, sagte der Präsident vor der Menge und fügte ein dreifaches „Allahu akbar“ („Gott ist groß“) hinzu. Derweil nahmen Beamte acht Verdächtige fest, die den Sturz Widodos geplant haben sollen. Unter ihnen war der langjährige Regimekritiker Sri Bintang Pamungkas, der indonesische Rockmusiker Ahmad Dhani und die Schwester des ehemaligen Präsidenten Megawati Sukarnoputri. Sie müssen mit einer Anklage wegen Verrats rechnen.

Menschenrechtsorganisationen in Sorge

Menschenrechtler betrachten die Entwicklung mit Sorge. Durch Purnamas Äußerungen sehen sie die langjährige Kultur der religiösen Toleranz in Gefahr. Fast 90 Prozent der 250 Millionen Einwohner sind zwar Muslime, das Land war aber auf seine säkulare Tradition bedacht. Toleranz wird groß geschrieben - bisher.

„Dieser Fall ist höchst beunruhigend“, sagt der Südostasien-Direktor von Amnesty International, Rafendi Djamin. „Mit so etwas können die Behörden kaum noch argumentieren, dass alle Religionen geachtet werden.“ Indonesien ist mit 240 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt.

religion.ORF.at/AFP/dpa/APA

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