Papst will gemeinschaftliche Kirchenleitung

Papst Franziskus strebt laut einem bereits vor einigen Wochen geführten Interview, das die belgische Zeitschrift „Tertio“ sowie auch der Vatikan am Mittwoch veröffentlichten, ein gemeinschaftliches Leitungsmodell für die Kirche an.

Eine Vielfalt von Schattierungen sei charakteristisch für die Kirche; in ihr bestehe „Einheit in Verschiedenheit“, sagte Franziskus der Zeitung. Nachdrücklich warb der Papst für das Prinzip der sogenannten Synodalität. Dieses verlange, nicht „von oben nach unten“ zu regieren, sondern „die Ortskirchen zu hören, sie zu harmonisieren, zu unterscheiden“. Die Kirche selbst entstehe „von der Basis, aus den Gemeinden, aus der Taufe“.

Synodalität oder Pyramide

„Entweder gibt es eine pyramidenförmige Kirche, wo man das macht, was Petrus sagt, oder es gibt eine synodale Kirche, in der Petrus Petrus ist, aber die Kirche begleitet, sie wachsen lässt, sie hört“, sagte Franziskus. Die katholische Kirche müsse „in der Synodalität vorangehen; das ist eines der Elemente, das die Orthodoxen bewahrt haben“.

Als Beispiel für dieses Leitungsprinzip verwies er auf das Dokument „Amoris laetitia“ vom April. Es sorgte wegen unterschiedlicher Deutungen im Blick auf den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen auch unter Kardinälen für eine Kontroverse. Das Schreiben sei „das Ergebnis zweier Synoden, auf denen die ganze Kirche gearbeitet hat, und das der Papst sich angeeignet hat“. Die Inhalte von „Amoris laetitia“ seien von den Synodenteilnehmern mit Zweidrittelmehrheit gebilligt worden. „Das ist eine Garantie“, sagte Franziskus.

Besser „gesunde Laizität“ als Laizismus

Im Interview sprach sich der Papst zudem für eine „gesunde Laizität“ in einem Staat aus. Er sehe den religionsneutralen Staat als „eine gute Sache“ und als „besser als ein religiöser Staat, weil religiöse Staaten schlimm enden“, betonte Franziskus. Die Trennung von Staat und Kirche in einem Gemeinwesen sei „gesund“.

Hingegen wandte er sich gegen einen strikten Laizismus, der alles Religiöse in die Privatsphäre verbannt. Eine solche Ordnung schließe die Tür zur Transzendenz; Offenheit für das Jenseitige gehöre aber zur Natur des Menschen. „Jeden Akt der Transzendenz in die Sakristei zu verweisen, ist eine Sterilität, die nichts mit der menschlichen Natur zu tun hat, die der menschlichen Natur einen guten Teil des Lebens, die Offenheit, nimmt“, sagte der Papst. Die Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum sei für ihn ein „überholtes Konzept“.

Kritik an Europas Friedenspolitik

Kritisch äußerte sich der Papst im gleichen Interview über die Lehren Europas aus dem Ersten Weltkrieg. Die Forderung „Nie wieder Krieg“ sei „nicht ernst genommen worden“. Nach einem Zweiten Weltkrieg sei jetzt ein dritter in Gang, der „auf Raten“ geführt werde. Der Papst verwies auf die Ukraine, den Nahen Osten, Afrika und den Jemen. „Wir sagen ‚Nie wieder Krieg‘, und derweil produzieren wir Waffen und verkaufen sie, verkaufen sie an beide Seiten, die sich bekämpfen“, sagte Franziskus.

Während europäische Gründerväter wie Robert Schuman, Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer den Ruf „Nie wieder Krieg“ noch ehrlich gemeint hätten, fehle es heute in Europa an Führungsgestalten, so der Papst.

„Kein Krieg im Namen Gottes“

Terror und Krieg könnten nie in Beziehung zur Religion stehen, erklärte der Papst. Keine Religion als solche könne Krieg hervorbringen, da sie in diesem Fall einen Gott der Zerstörung und des Hasses proklamieren würde. Franziskus: „Man kann keinen Krieg im Namen Gottes oder im Namen einer religiösen Position führen.“

Religiös motivierter Terrorismus existiere freilich, dabei würden jedoch „religiöse Deformationen“, die „nicht an die Essenz des Religiösen“ rührten, als Vorwand für Terror und Gewalt genutzt. Fundamentalistische Gruppen gebe es in allen Religionen, auch im Christentum, so der Papst, und weiter: „Es sind diese kleinen religiösen Gruppen, die ihre eigene Religion entstellt, krank gemacht haben.“

Zufrieden äußerte sich der Papst über das vor kurzem zu Ende gegangene „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“. Das Heilige Jahr sei „keine plötzliche Idee“ gewesen; vielmehr habe er im Lauf der Zeit „gespürt, dass der Herr das wollte“. Es sei „offensichtlich sehr gut gelaufen“, wobei besonders die Tatsache, dass das Jubiläumsjahr nicht auf Rom beschränkt war, viele Menschen in Bewegung gesetzt habe.

religion.ORF.at/KAP

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