Sao Paulo: Jeder dritte Katholik zu Freikirchen

Im Südosten Brasiliens verliert die katholische Kirche immer mehr Gläubige an die Freikirchen: Der Katholiken-Anteil im Umland der Metropole Sao Paulo habe sich in den vergangenen 50 Jahren halbiert, zeigt eine von der Diözese Santo Andre beauftragte Studie.

Laut der von der Universität Sao Caetano durchgeführten Studie wanderte ein Drittel der Gläubigen zu den Frei- oder Pfingstkirchen ab. Stark zugenommen habe zudem der Anteil der Menschen ohne Religionsbekenntnis, geht aus Angaben der Zeitung „Diario do Grande ABC“ hervor.

Die Metropolitanregion Sao Paulo hat rund 20 Millionen Einwohner. Davon leben zwölf Millionen in der Stadt und acht Millionen im Umland. Fast drei der acht Millionen leben in der zur Gesamtregion gehörenden „Großen ABC-Region“ (ABC paulista), in der die Studie durchgeführt wurde.

Von 90 auf 56 Prozent Katholiken

In der sieben Verwaltungsbezirke umfassenden Zone, die das Herz der brasilianischen Autoindustrie ist und wo einst der frühere Präsident Luiz Inacio Lula da Silva Gewerkschaftschef war, lebten 1960 nur 500.000 Menschen, davon 90 Prozent Katholiken. Bis 2010 hatte sich ihr Anteil auf 56 Prozent reduziert, 2016 waren es nur noch 46,8 Prozent.

Gläubige in einer katholischen Kirche in Brasilien

Reuters/Roosevelt Cassio

Katholiken wandern in Scharen zu Freikirchen ab

Bei jenen, die die katholische Kirche verlassen haben, lag der spezielle Fokus der Studie. 27 Prozent dieser Gruppe gehören nun einer Pfingstkirche an, acht Prozent einer Freikirche wie die Methodisten oder Presbyteraner. 4,6 Prozent begaben sich zu anderen Religionen wie etwa dem Buddhismus, 3,9 Prozent zu spiritistischen Gemeinschaften.

„Unzufriedenheit“ Grund

Die Untersuchung umfasste auch einen qualitativen Teil - jeweils dreistündige Gesprächsgruppen - sowie eine Fragebogenerhebung unter 3.000 Menschen in sieben Städten. „Unzufriedenheit“ war dabei der häufigste Grund für den Kirchenaustritt.

Die katholische Kirche verschließe sich dem Dialog, gehe mit der Veränderung der Gesellschaft zu wenig mit und sei in den Armenvierteln zu wenig präsent, kommentierte Lidice Meyer Pinto Ribeiro, Religionswissenschaftlerin an der von den Presbyterianern geführten Mackenzie-Universität in Sao Paulo, im Zeitungsbericht das Ergebnis. Ihr Fachkollege Lauri Emilio Wirth von der Methodisten-Universität in Sao Paulo führte ins Treffen, dass sich weniger strukturierte Kirchen flexibler den religiösen Bedürfnissen der Bewohner anpassen könnten als die traditionellen Glaubensgemeinschaften.

„Einladender“ auftreten

Die katholische Kirche werde die Ergebnisse der Studie genau analysieren und nehme sich vor, „missionarischer“ und „einladender“ aufzutreten, sagte der Studien-Auftraggeber, Bischof Carlos Cipollini von der Diözese Santo Andre. Überrascht sei er besonders vom Ergebnis, dass nunmehr fast zehn Prozent der Bewohner der Region keinem Religionsbekenntnis angehören, nachdem es 1960 nur 0,5 Prozent gewesen waren.

Die Ergebnisse unterstützten die Sichtweise einer „Ära der Leere“ angesichts von ausuferndem Konsum- und Besitzstreben, sowie auch von Frustration und Enttäuschung durch Gewalt und Korruption in der Politik. Die Religion müsse hier Antworten liefern.

religion.ORF.at/KAP

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