Landau: „Regierung spielt Gruppen gegeneinander aus“

Die Regierung hat in der Flüchtlingsfrage versagt und spielt Gruppen gegeneinander aus: Mit dieser Kritik hat sich Caritas-Präsident Michael Landau in der Tageszeitung „Der Standard“ (Dienstag-Ausgabe) zu Wort gemeldet.

Mit der Fokussierung auf die Flüchtlingsfrage betreibe die Regierung eine „Politik der Gefühle 2.0“ und bringe von Armut betroffene Gruppen „gegeneinander in Stellung“. In der Realität gehe es einer Mindestpensionistin aber nicht besser, wenn es einer Mutter, die mit einem Kind nach Österreich geflohen ist, schlechter geht.

Michael Landau

ORF/Marcus Marschalek

Caritas-Präsident Michael Landau

„Die einzige Spaltung, die wir als Caritas wahrnehmen, ist jene zwischen Arm und Reich“, sagte Landau. Dies lasse sich auch durch Zahlen belegen: Ein Prozent der Bevölkerung besitze mehr als 37 Prozent des Gesamtvermögens. „Die Leidenschaft, mit der diskutiert wird, ob die Ärmsten nicht zu viel bekommen, scheint eher dem Wunsch geschuldet zu sein, andere Fragen nicht zu diskutieren“, so Landau. Es falle auf, „wie intensiv etwa die Finanztransaktionssteuer auch in Österreich diskutiert worden ist und wie wirksam sie weglobbyiert wurde“.

400.000 akut Arme

Auf Ebene der heimischen Politik wünscht er sich eine Schwerpunktverlagerung, die auch die Realität einfordere: Demnach stehen im ausklingenden Jahr 30.000 Asylanträge 220.000 Menschen, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen können und 400.000 akut Arme gegenüber. Ähnliches gelte auch für die Debatte um die Mindestsicherung: „Nur knapp ein Prozent des gesamten Sozialbudgets wird für die Mindestsicherung ausgegeben.“ Es sei naiv zu behaupten, die Republik könne an diesem einen Prozent gesunden.

Insgesamt gebe es in Europa keine Flüchtlingskrise, sondern eine Solidaritätskrise. Hier komme man mit „Kraftmeierei und dem Hochziehen von Grenzen nicht weiter“, denn Hunger und Armut machten nicht an Grenzen halt, warnte Landau. Weltweit betrachtet müsse jedem klar sein: „Wohlstandsinseln in einem Meer von Armut sind auf Dauer sicher nicht stabil.“ Er habe die „dramatische Situation“ in Flüchtlingslagern im Libanon gesehen und verstehe, „wenn eine Mutter ihren Kindern nicht beim Verhungern zusehen möchte“. Wenn die Erhöhung der Mittel für die Entwicklungshilfe im zweistelligen Millionenbereich liegen, Heer und Innenministerium aber jeweils eine Milliarde zusätzlich bekommen, dann „stimmen die Proportionen nicht“.

Solidaritätskrise und „Verluderung“

Gekürzte Mindestsicherungen oder auch eine Obergrenze für Asylanträge wertet Landau als „Beiträge zur Verluderung des Rechtsstaates“. Priorität müsse vielmehr haben, „wie es uns gelingt, in Österreich den Sozialstaat zukunftstauglich zu gestalten und in Europa von einer Wirtschafts- zu einer Solidarunion zu kommen“.

Nach einem Jahr, in dem es durch „Brexit“, die Trump-Wahl oder die Entwicklung in der Türkei „mehr Schatten als Licht“ gegeben habe, könne das Jahr 2017 nur besser werden, hofft der Caritas-Chef. Es brauche einen Schub an Ermutigung und Entängstigung. Dass dies angesichts von Ereignissen wie in Berlin schwierig sei, weiß auch Landau. Der Terror fordere aber gleichzeitig heraus, „dass wir uns auf unsere Stärken fokussieren“, denn nichts hemme solidarisches Handeln mehr als Angst.

religion.ORF.at/KAP

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