Khorchide: „Jahr der Barmherzigkeit“ für Muslime

Der Theologe Mouhanad Khorchide fordert in einem Gastbeitrag für die deutsche „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstag) in Anlehnung an Papst Franziskus ein „Jahr der Barmherzigkeit für Muslime“.

„Die Muslime benötigen ein Jahr der Barmherzigkeit, um einerseits selbst die innerislamischen Verhältnisse kritisch zu reflektieren und andererseits die nichtislamische Welt einzuladen, sich gemeinsam an einen Tisch der Barmherzigkeit zu setzen, um unsere gemeinsame Verantwortung für eine barmherzige Welt ernsthaft und aufrichtig anzugehen“, schreibt Khorchide.

Für viele Menschen klinge das „angesichts der vielen Terrormeldungen im Namen des Islam absurd“, so der jetzt in Münster lehrende Religionspädagoge weiter. Der Koran betone die Barmherzigkeit jedoch „wie kein anderes heiliges Buch“.

Mouhanad Khorchide

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Theologe Mouhanad Khorchide

„Barmherzigkeit im Alltag“

Der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Münster, weiter: „Man kann in einem theologischen Diskurs sehr viel über die Barmherzigkeit im Islam sagen, dennoch vermisst man sehr oft nicht nur die Rede von der Barmherzigkeit im Alltag mancher Muslime, sondern und vor allem deren Umsetzung im Handeln dieser Gläubigen.“

Bezugnahme auf Papst

Das gelte allerdings nicht nur für Muslime alleine. „Und daher hat der Papst nicht zu Unrecht 2016 zum Jahr der Barmherzigkeit erklärt, denn die ganze Welt braucht heute das Konzept der Barmherzigkeit, verstanden als bedingungslose Zuwendung eines jeden Menschen seinem Nächsten gegenüber.“

Aus diesem Konzept erwachse auch ein staatlich-politischer Auftrag: „Kulturelle und individuelle Unterschiede sollten bestehen bleiben, aber nicht mehr als Ab- und Ausgrenzung wahrgenommen werden, sondern als Bereicherung unserer Pluralität.“

„Müssen Versagen zugeben“

Zugleich sei es unaufrichtig, von Barmherzigkeit zu reden, „während tagtäglich unzählige Menschen hungern, in der Kälte frieren“, schreibt Khorchide weiter. „Leider müssen wir als westliche Gesellschaften unser Versagen zugeben, Barmherzigkeit in der Außenpolitik umzusetzen.“ Hier müsse man ansetzen.

Mouhanad Khorchide ist einer der wichtigsten islamischen Theologen in Deutschland und Professor für islamische Religionspädagogik am Centrum für religionsbezogene Studien an der Universität Münster. Er ist österreichischer Staatsbürger, lebte viele Jahre in Wien und war als Imam einer kleinen Moschee in Wien-Ottakring tätig.

religion.ORF.at

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