Kopftuch und Kreuz: Diskurs über Neutralitätsgebot

Die österreichische Bundesregierung scheint sich nicht hundertprozentig einig zu sein, welche Reichweite das geplante „Neutralitätsgebot“ im Öffentlichen Dienst haben soll. Über Kopftuch und Kreuz wird weiter diskutiert.

Während für die ÖVP klar scheint, dass das Kreuz in Schulen und Gerichtssälen bleiben kann, will SP-Staatssekretärin Muna Duzdar noch „mit allen Religionsgemeinschaften“ diskutieren, was das Neutralitätsgebot „im einzelnen dann genau heißt“, wie sie am Mittwoch sagte.

Streitfall Kopftuch

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich ein Kopftuchverbot für den Öffentlichen Dienst, vor allem den Schulbereich, gewünscht. Nun heißt es im neuen Regierungsprogramm lediglich: „Der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral aufzutreten. In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird“, heißt es.

„Wir sind uns in der Bundesregierung hundert Prozent einig, dass wir dazu stehen, dass Österreich ein liberaler Rechtsstaat westlicher Prägung ist und eine westlich orientierte Demokratie, und im Auftreten der staatlichen Autorität kann das Tragen von religiösen Symbolen einem gewissen Neutralitätsgrundsatz entgegen stehen“, betonte ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer am Mittwoch nach dem Ministerrat. Es gehe nicht nur ums Kopftuch, sondern auch um andere religiöse Symbole.

Die Hoffnung der Richtervereinigung, dass damit auch das christliche Kreuz in den Verhandlungssälen bald der Vergangenheit angehören wird, wurde seitens der Regierungskoordinatoren enttäuscht: „Es geht um das Tragen der Symbole“, erklärte Mahrer. Das Kreuz im Verhandlungssaal trage ja keine einzelne Person am Körper. Einen Widerspruch zum Argument der Neutralität wollten Mahrer und sein SPÖ-Gegenüber Thomas Drozda nicht erkennen. Er habe dazu „eine private Meinung, die Sie sich ungefähr vorstellen können - aber das ist nicht Gegenstand der Regelung“, sagte Drozda.

Schulen nicht betroffen

Schulen sind von dem Neutralitätsgebot nicht betroffen, betonte Drozda auch, es gehe um Richter, Staatsanwälte, Polizei und Militär. „In staatlichen Schulen ist sowas nicht angedacht.“ Es gebe einen Unterschied zwischen dem „hoheitlichen Staat“ wie dem Gericht und Bereichen, wo staatlich finanzierte Lehrer unterrichten, meinte Drozda. In anderen Bereichen gebe es außerdem ohnehin Kleidungsvorschriften etwa aufgrund der Hygiene, ergänzte Mahrer. „Ein Kochmützenverbot haben wir nicht diskutiert“, scherzte Drozda.

„Das Neutralitätsgebot ist kein Kopftuchverbot“, stellte Duzdar vor der Regierungssitzung klar. Richter und Polizisten hätten ohnehin schon bestimmte Kleidungsvorschriften. Die ÖVP habe ein Kopftuchverbot für den Öffentlichen Dienst gefordert, aber man habe sich letztlich auf ein Neutralitätsgebot „beschränkt“. Was das konkret bedeutet, ist für Duzdar offensichtlich noch nicht endgültig geklärt: Darauf angesprochen, dass laut Kurz Kreuze in der Klasse bleiben, kündigte Duzdar an, dass sie nun „mit allen Religionsgemeinschaften“ diskutieren werde, „was das im einzelnen dann genau heißt“.

Vollverschleierungsverbot

Das geplante Vollverschleierungsverbot verteidigte Duzdar. Sie habe immer gesagt, dass Niqab und Burka für eine fundamentalistische Auslegung der Religion stünden, sei einem Verbot aber skeptisch gegenüber gestanden, räumte sie ein. In einer Partnerschaft müsse man aber aufeinander zugehen, im Gegenzug habe man das Integrationsjahr durchgesetzt - „es ist eine Einigung gewesen“.

Minister Kurz zeigte sich bezüglich des Burkaverbots überzeugt, dass es keine nachteiligen Auswirkungen auf den Tourismus haben werde - das zeigten auch Studien aus dem Ausland. Auch an andere Regeln müsse man sich halten und das funktioniere auch, zog Kurz einen Vergleich zum Anschnallen beim Autofahren.

religion.ORF.at/APA

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