Fremdenrechtsreform: Harte Kritik von NGOs

Auf das am Dienstag beschlossene neue Fremdenrechtspaket haben Caritas und Diakonie mit Kritik reagiert. Die Caritas warnt vor zusätzlicher Obdachlosigkeit, die Diakonie bittet um einen „realistischen Umgang“ mit Asylwerbern.

„Die angekündigten Änderungen im Fremdenrecht drohen dazu zu führen, dass abgewiesene AsylwerberInnen von einem Tag auf den anderen mittellos auf der Straße stehen“, so die Caritas in einer Aussendung. „Diese schutzsuchenden Menschen von der Grundversorgung auszuschließen widerspricht humanitären Grundwerten, missachtet die Menschenwürde und ist unionsrechtswidrig“, so Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter.

„Muss eine Lösung geben“

„Klar ist, nicht jeder, der Asyl beantragt, wird Asyl erhalten können. Klar ist aber auch, dass es Menschen gibt, die nicht gehen können, etwa weil ihr Herkunftsland die Rückkehr nicht erlaubt“, so Wachter. Hier brauche es eine differenzierte Herangehensweise. „Für diese Menschen muss es eine Lösung geben, die nicht Illegalität und Obdachlosigkeit heißt. Niemand in Österreich ist damit gedient, wenn Menschen verzweifelt und unversorgt auf der Straße landen.“

Caritas Generalsekretär Bernd Wachter

APA/Jürgen Hammerschmid

Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter

Das neue Fremdenrechtspaket wurde am Dienstag im Ministerrat beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass Menschen, die nicht in Österreich bleiben dürfen, die Grundversorgung gestrichen wird. Lediglich die medizinische Versorgung soll sichergestellt sein.

Menschen werden „schwer auffindbar“

„Es kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, Männer, Frauen und Kinder auf die Straße zu schicken und damit mangels aufrechter Meldung auch für die Behörden schwerer auffindbar zu machen“, so Wachter: „Vor mittlerweile 15 Jahren hat man sich darauf geeinigt, abgewiesene AsylwerberInnen so lange in der Grundversorgung zu halten, bis sie ausgewiesen werden“, so die Caritas.

Die Novellierung wäre eine „Abkehr von dieser geübten Praxis und würde zusätzliche Schwierigkeiten für alle Beteiligten bringen“. Die aktuelle Neuregelung habe sich bereits 2015 in einem Gesetzesentwurf gefunden, der aber damals aus gutem Grund nicht in der vorliegenden Form beschlossen worden sei, so Wachter in der Aussendung. „Ich appelliere dringend an die EntscheidungsträgerInnen, auch diesmal von der Gesetzesänderung abzusehen!“

Diakonie für realistischen Umgang

Auch die evangelische Diakonie übte am Dienstag harsche Kritik: Abgelehnte Asylsuchende, die nicht abgeschoben werden können, zum Beispiel, weil sie nicht in ihre Heimat zurückkehren können, gibt es in ganz Europa. „Das wird sich auch nicht ändern, wenn ihnen Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung entzogen werden, wie es die österreichische Regierung vorhat“, so Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich. „Menschen lösen sich nicht in Luft auf, wenn man ihnen das zum Überleben Notwendigste verweigert.“

Diakonie-Direktor Michael Chalupka

APA/Herbert P. Oczeret

Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich

2004 habe die schwarz-blaue Regierung die Grundversorgungsvereinbarung getroffen und damit festgelegt, „dass Menschen, deren Asylverfahren zwar negativ entschieden wurden, die aber nicht abgeschoben werden können und auch nicht ausreisen können, weiter zu versorgen sind“. Es sei der Regierung damals wichtig gewesen, damit deren Menschenwürde zu wahren.

„Unabsehbare Folgen für Gemeinwohl“

„Das scheint sich 2017 geändert zu haben“, so Chalupka, denn anders könne er sich nicht erklären, dass nun eine rot-schwarze Regierung „diese Menschen unversorgt auf die Straße stellen möchte, mit unabsehbaren Folgen für das Gemeinwohl“.

Doch eines sei klar: „Man wird damit sicher nicht erreichen, dass die Menschen einfach zurückgehen.“ Wenn sie könnten, hätten die allermeisten das längst getan. Ein Leben von der Grundversorgung und ohne Zukunft in Österreich sei kein Honiglecken, so Chalupka: 40 Euro Taschengeld im Monat, Schlafen im Mehrbettzimmer, Essen im Wert von fünf bis sechs Euro pro Tag. „Wer eine andere Perspektive hat, tut sich das sicher nicht an“, so die Diakonie.

Eine Asylwerberin in der Küche im Flüchtlingshaus Erdberg

APA/Herbert Pfarrhofer

Flüchtlingshaus Wien-Erdberg: Der Zugang zur Unterkunft wird künftig für viele versperrt, warnt die Volkshilfe

Viele Menschen könnten aber nach negativem Ausgang des Verfahrens das Land nicht einfach verlassen. „Was tun, wenn einen das eigene Land nicht mehr einreisen lässt? Man kann dann weder ein Flugticket kaufen, noch die Länder, die dazwischen liegen, durchqueren, weil man dafür jeweils ein Visum brauchte.“ Es sei die humanitäre Verpflichtung eines modernen Sozialstaates, so Chalupka weiter, die Würde aller Menschen, die sich auf seinem Gebiet aufhalten, zu wahren.

Volkshilfe: Flucht endgültig kriminalisiert

Wenig erfreulich findet auch Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, das neue Fremdenpaket: „Unser Eindruck, dass Gesetzesänderungen nicht dazu beitragen sollen, schutzsuchende Menschen zu stärken, verhärtet sich immer mehr. Es scheint, als habe die Regierung Interesse daran, sie in den finanziellen Ruin und in die Obdachlosigkeit zu drängen.“

Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Erich Fenninger

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Der Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, Erich Fenninger

Problematisch sei, dass diese Gruppe laut dem Gesetzesentwurf kein Recht auf vorherige Anhörung hat. Vielen Betroffenen werde somit der Zugang zu Unterkunft sowie jeglicher Versorgung versperrt, so Fenninger. Die betreffenden Personen würden sich zum Teil noch in einem Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz befinden, sagte Fenninger. Somit würde ein mögliche Gefährdungslage im Falle einer Ausreise aus Österreich noch nicht rechtskräftig geklärt sein können. „Es ist unmenschlich, diese Menschen in die Obdachlosigkeit zu treiben.“

Schubhaft bis zu 18 Monate

Außerdem solle die Schubhaft künftig bis zu 18 Monate dauern, während es momentan höchstens zehn Monate binnen eineinhalb Jahren sind. Fenninger: „Vor dem Hintergrund grundlegender Menschen- und Völkerrechte darf Haft über Asylsuchende nur in absoluten Ausnahmefällen verhängt werden und muss einem legitimen Zweck dienen. Auch geltendem EU-Recht wird dieser Vorschlag nicht standhalten.“

Nicht zuletzt sollen Asylwerber für falsche Angaben im Asylverfahren mit hohen Geldbeträgen bestraft werden. Der Direktor stuft diesen Vorschlag als reine Symbolpolitik ein: „Die weite Reise der Schutzsuchenden hat in den allermeisten Fällen sämtliches Hab und Gut, das sie besaßen, gekostet. Dass sie diese Kosten tragen können, ist absolut unwahrscheinlich.“ Dass über Betroffene bei Nichtbezahlung nun auch Haftstrafen verhängt werden, grenze an Zynismus.

Aufgabe der Regierung wäre es, das System transparenter und effizienter auszugestalten, so die Volkshilfe: „Es braucht eine geordnete Aufnahme und Registrierung von Flüchtlingen innerhalb der gesamten EU und raschere, rechtsstaatliche Asylverfahren. Solange es innerhalb der EU nicht annähernd gleiche Standards gibt, können wir die Schieflage nicht beseitigen, dass ein paar wenige Länder die Hauptverantwortung für alle anderen tragen.“

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