Jesuit: Kirchliche Missbrauchsprozesse dauern zu lang

Der Kinderschutzexperte P. Hans Zollner hat sich für eine schnellere Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ausgesprochen.

„Der ganze Prozessweg dauert für alle viel zu lange“, sagte der Jesuit Kathpress gegenüber am Mittwoch in Rom. Teilweise zögen sich Verfahren über mehr als fünf Jahre hin. Zudem forderte Zollner, dass vatikanische Behörden Missbrauchsopfern zügig und persönlich antworteten. Zollner ist Mitglied der päpstlichen Kinderschutzkommission und Leiter des Kinderschutzzentrums an der Universität Gregoriana.

Die päpstliche Kinderschutzkommission hatte die Einrichtung einer zentralen Stelle im Vatikan oder bei verschiedenen Behörden zur Beantwortung von Briefen vorgeschlagen. Das solle dem Papst zeitnah präsentiert werden, so Zollner. Er gehe davon aus, dass gemessen an vatikanischen Verhältnissen rasch etwas geschehen werde.

Geeignetes Personal nötig

Laut Zollner mangelt es vor allem an geeignetem Personal im Vatikan. Für die angemessene und schnelle Beantwortung seien etwa zehn bis 15 Mitarbeiter aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen nötig. „Es sind gut geschulte Personen nötig, die menschlich angemessen antworten und möglichst schnell klären können, welcher vermutliche Tatbestand vorliegt, und wissen, wer dafür zuständig ist“, so der Psychologie-Professor.

Zollner äußerte zugleich Verständnis für die Position von Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, der gesagt hatte, die Beantwortung von Briefen sei nicht Aufgabe der Glaubenskongregation. Diese sei für die Durchführung kirchenrechtlicher Prozesse zuständig, so der Präfekt der Glaubenskongregation.

Zusammenarbeit mit Missbrauchsopfer

Die Zusammenarbeit der Kinderschutzkommission mit vatikanischen Behörden laufe in vielen Bereichen gut, so Zollner weiter. An einem kürzlich veranstalteten Studientag zum Kinderschutz hätten etwa auch sechs Kardinäle aus Vatikanbehörden teilgenommen.

Anfang März hatte sich die Irin Marie Collins als letztes von ursprünglich zwei Missbrauchsopfern aus der päpstlichen Kinderschutzkommission zurückgezogen. Sie begründete ihren Schritt mit einer mangelnden Kooperation der vatikanischen Glaubenskongregation. Zollner berichtete, Collins arbeite nach wie vor mit der Kinderschutzkommission zusammen. Bei Schulungen, die auch an Kongregationen durchgeführt werden, sei sie etwa bereits fest eingeplant.

Stimme btroffener muss gehört werden

Es stehe außer Frage, dass die Stimme Betroffener gehört werden müsse. Die Kinderschutzkommission arbeite an Vorschlägen dazu, wie dies künftig geschehen könne. Da die Erprobungsphase des Gremiums im Dezember endet, sei es unverantwortlich, zum jetzigen Zeitpunkt weitere Betroffene in die Kommission einzuladen. Die Zukunft des Gremiums sei aktuell noch nicht absehbar.

Franziskus hatte die Kinderschutzkommission 2014 für drei Jahre auf Probe eingerichtet. Sie soll den Vatikan bei Prävention und Ahndung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche beraten. Im Dezember 2017 muss der Papst entscheiden, wie die Arbeit fortgesetzt wird. „Ich gehe davon aus, dass der Bereich Kinderschutz am Heiligen Stuhl weiter einen Platz finden wird“, so Zollner.

religion.ORF.at/KAP

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