Emeritierter Papst wird 90: „Werk getan“

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. feiert am 16. April seinen 90. Geburtstag. Er habe sein Werk als Papst getan und bereue seinen Rücktritt nicht, erzählte er in seinen 2016 als Buch erschienenen Erinnerungen.

Benedikt XVI. will es an seinem 90. Geburtstag am Ostersonntag ruhig angehen lassen. Benedikt wünsche sich, dass „alles in kleinem Rahmen bleibt“, sagte sein Bruder Georg Ratzinger der Deutschen Presse-Agentur. „Am Morgen feiern wir gemeinsam Gottesdienst, natürlich gehört zu Mittag ein gutes Essen dazu, dann ist Siesta und am Nachmittag Vespergebet.“ Dass Papst Franziskus im Laufe des Tages zum Gratulieren vorbeischaut, hält er aber für möglich.

Als Papst zurückgetreten

Der deutsche Papst geht in die Geschichte ein als der erste Papst seit Coelestin V. im 13. Jahrhundert, der freiwillig von seinem Amt zurücktrat. Zuvor hatte er mehrere Jahre mit schweren kirchlichen Krisen zu kämpfen.

Benedikt XVI. wurde als Joseph Alois Ratzinger am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl geboren. Sein Vater war Gendarmeriemeister, seine Mutter Köchin. Kindheit und Jugend verbrachte er hauptsächlich in Traunstein. 1943 wurde Joseph Ratzinger als Luftwaffenhelfer eingezogen, dann zum Reichsarbeitsdienst zur Errichtung des Südostwalls verpflichtet.

Naiv Fahnenflucht begangen

Den eigentlichen Wehrdienst leistete er 1945 in Bayern ab. Er verließ 18-jährig noch vor der Kapitulation die Kaserne und kehrte nach Traunstein zurück. Ratzinger resümierte in dem 2016 erschienenen Interviewbuch „Letzte Gespräche“ von Peter Seewald sein Pontifikat und berichtete auch, dass er sich damals einfach entschlossen habe, nach Hause zu gehen

Hinweis

Das Geburtshaus des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in Marktl am Inn öffnet am Ostersonntag seine Tore für Besucher.

Dass es sich dabei um Fahnenflucht handelte und er jederzeit hätte erschossen werden können, kommentierte Benedikt XVI. mit den Worten, er könne sich selber nicht erklären, „also welcher Grad von Naivität mir da zu eigen war“. 1945 kam er kurzzeitig in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Priesterweihe gemeinsam mit Bruder

Als Seminarist des damals in Traunstein ansässigen diözesanen Knabenseminars machte er 1946 die Matura am örtlichen Chiemgau-Gymnasium. 1946 bis 1951 absolvierte der spätere Papst das Theologie- und Philosophiestudium in Freising und München.

Georg (li.) und Joseph Ratzinger bei ihrer Ordination in Freising (Bayern) im Jahr 1951

APA/AFP/DDP/Timm Schamberger

Georg (li.) und Joseph (re.) Ratzinger bei ihrer Ordination in Freising (Bayern) im Jahr 1951

Gemeinsam mit seinem Bruder Georg empfing er am 29. Juni 1951 in Freising die Priesterweihe. Die Promotion in München folgte 1953. Vier Jahre später habilitierte sich Ratzinger im Fach Fundamentaltheologie und trat eine Professur in Freising an. 1959 wurde er an die Universität Bonn berufen, 1963 nach Münster.

Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil

Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) war Ratzinger Berater und Redenschreiber des Kölner Kardinals Joseph Frings (1887 - 1987). Er vertrat eine reformfreudige Auffassung. 1966 erhielt der bereits berühmt gewordene Konzilstheologe auf Empfehlung von Hans Küng einen Lehrstuhl für Dogmatik in Tübingen. Aus Vorlesungen aus dieser Zeit für die Hörer aller Fakultäten entstand sein 1968 veröffentlichtes Buch „Einführung in das Christentum“.

Lehrer von Christoph Schönborn

Unmittelbar betroffen von den Studentenprotesten der ausgehenden 1960er Jahre, folgte Ratzinger 1969 dem Ruf an die neue Universität Regensburg. Dort lehrte er Dogmatik und Dogmengeschichte. Einer seiner Studenten war Christoph Schönborn.

Kardinal Christoph Schönborn und Papst Benedikt XVI.

APA/Roland Schlager

Der spätere Kardinal, Christoph Schönborn, war einst Student beim späteren Papst Benedikt XVI.

Papst Paul VI. ernannte Ratzinger am 25. März 1977 zum Erzbischof von München und Freising. Drei Monate später erhielt der erst 50-Jährige die Kardinalswürde. Im November 1981 berief Papst Johannes Paul II. Kardinal Ratzinger zum Präfekten der Glaubenskongregation und damit zum höchsten Glaubenshüter. Er begann in diesem Amt die theologische Auseinandersetzung mit der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung und führte u. a. Gespräche mit Leonardo Boff. Es kam zu keiner Klärung, Boff erhielt Lehrverbot.

Wahl zum Papst 2005

2002 wurde Ratzinger Dekan des Kardinalskollegiums im Vatikan. In dieser Funktion leitete er am 8. April 2005 die Begräbnisfeierlichkeiten für Johannes Paul II. und rief die Kardinäle zum Konklave. Am 19. April 2005, drei Tage nach seinem 78. Geburtstag, wählten die Kardinäle Joseph Ratzinger an die Spitze der katholischen Kirche. Er nahm den Namen Benedikt an und trat am 24. April 2005 sein Amt an. Benedikt XVI. wollte die Kirche nach den bewegten Jahren unter Johannes Paul II. wieder in ruhigeres Fahrwasser führen.

Fokus auf Neuerungen des Konzils

Ratzinger akzentuierte in seinem Pontifikat manches anders als sein Vorgänger Johannes Paul II., insbesondere in der Debatte über das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils. Aufbrüche und neue Ideen sollten ins Gesamtgeflecht der Kirche und ihrer Tradition eingeordnet werden.

Das Konzil war für ihn kein Bruch, sondern eine Etappe, in der 2.000-jährigen Kirchengeschichte. Dazu gehörte auch sein Bemühen um eine Aussöhnung mit den Traditionalisten - den Piusbrüdern. Durch eine breitere Einführung der „alten Liturgie“ von 1962 wollte er ihnen entgegenkommen.

Einsatz für interreligiösen Dialog

Gefestigt und ausgebaut hat Benedikt XVI. die ökumenischen und interreligiösen Kontakte. Die Beziehungen zum Judentum waren inzwischen so stabil, dass sie auch schweren Belastungen standhielten, wie nach dem Williamson-Skandal oder dem Streit über die Karfreitagsfürbitte. Auch das Verhältnis zum Islam, das nach der Regensburger Rede (2006) mit dem Mohammed-kritischem Zitat einen Einbruch erlebte, erfing sich wieder.

Benedikt XVI.

APA/Robert Jaeger

Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI.

Harte Jahre ab 2009

Bittere Zeiten musste Benedikt XVI. ab 2009 durchleben, als zunächst aus der Rücknahme der Exkommunikation für die Piusbrüder ein medialer Super-GAU entstand: Denn unter den „Eingeladenen“ war auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Die folgenden Missdeutungen, Entschuldigungen und Neustrukturierungen hinterließen Schrammen. Allerdings führte dieser Eklat mittelfristig zu einer neuen Versachlichung und in einen theologischen Dialog mit der konservativen Gruppe.

Noch dramatischer wirkte ein Jahr später das Aufbrechen des Missbrauchsskandals in der römisch-katholischen Kirche: Erst nach Monaten gelang es Rom, die seit 2001 geltende und durch Kardinal Ratzinger angestoßene Rechtslage und die kirchliche Praxis darzulegen. Seit Beginn 2012 hatte der Vatikan dann mit „Vatileaks“ und dem Verrat geheimer Dokumente durch den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele ein neues Problem - mehr dazu in „Vatileaks“: Ex-Kammerdiener Gabriele im Interview.

2013 überraschender Rücktritt

Für die Ankündigung seines Rücktritts am 11. Februar 2013 wählte der fast 86-jährige Benedikt XVI. einen Zeitpunkt, an dem sich die Wellen der Erregung wieder etwas geglättet hatten. Denn er wollte - so hatte er in seinem Interview-Buch mit Peter Seewald betont - die Kirche im Fall eines Rücktritts keinesfalls in einer Situation der Gefahr verlassen.

In seiner Entscheidungsankündigung sagte Benedikt XVI. auf Latein, dass seine Kräfte aufgrund des Alters nicht mehr ausreichend wären, um ordnungsgemäß seinen Dienst auszuüben, und dass dieser am 28. Februar 2013 enden werde. Der letzte endgültige Verzicht auf das Papst-Amt war mit dem Rücktritt von Gregor XII. im Jahr 1415, als Folge des Konzils von Konstanz, erfolgt.

Wohnung in den vatikanischen Gärten

Der emeritierte Papst wohnt seit vier Jahren im ehemaligen Kloster „Mater Ecclesiae“ in den vatikanischen Gärten. Den Sommer 2015 verbrachte Benedikt XVI. in Castel Gandolfo, 2016 aber wieder im Vatikan. Sein letzter öffentlicher Auftritt war die Begegnung mit den neuen Kardinälen beim Konsistorium im November 2016.

religion.ORF.at/KAP

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