Asyl: Pfarrer redet Ungarns Regierung ins Gewissen

Der ungarische Geistliche sprach bei Demonstration gegen Verschärfung des ungarischen Asylgesetzes und zog Vergleiche zwischen Jesus und Flüchtlingen.

Flüchtlingen ergeht es in Ungarn wie Jesus im Prozess, der ihm letztlich die Todesstrafe eintrug: Diesen Vergleich zog Tamas Liszkai, Pfarrer des Ortes Röszke an der serbisch-ungarischen Grenze, am Karsamstag im Rahmen einer Kundgebung gegen die Verschärfung des ungarischen Asylgesetzes.

Vor mehr als hundert in- und ausländischen Demonstranten aus den Reihen der Opposition und Zivilgesellschaft erinnerte der Geistliche daran, dass es auch gegen Jesus keine wirkliche Anklage gab und sogar Roms Statthalter Pilatus ihn nicht für schuldig hielt. „Um ihn doch verurteilen zu können, musste man ihn als den Feind selbst hinstellen. Aus ihm wurde ein auch politisch deutbares Feindbild kreiert, damit ihn die Masse hasst und seinen Tod wünscht“, zog Liszkai Parallelen zur Lage von Flüchtlingen.

Flüchtlingslager in Röszke, Ungarn

APA/Herbert P. Oczeret

Das Flüchtlingslager in Röszke nahe der serbischen Grenze

Plan: Alle Flüchtlinge in Transitzone

Der Pfarrer leitet die Gemeinde des auch in Österreich bekannt gewordenen Grenzortes Röszke, der deshalb als Schauplatz der Demonstration ausgesucht wurde, weil Migranten ihren Asylantrag nur hier einreichen können und bis zur Entscheidung der Einwanderungsbehörde in der Transitzone verbleiben müssen. Durch die geplante Asylverschärfung sollen alle Flüchtlinge, die sich in Ungarn bis jetzt frei bewegen konnten, in diese Zone gebracht werden.

Weisheit und Besonnenheit gefordert

Nach den Worten von Liszkais entscheidet jede Gesellschaft selbst, wie stark sie sich politisch beeinflussen lässt. Der Priester wörtlich: „Wenn eine Gesellschaft auf die Kontrolle der Politik verzichtet, wird sie schwach, verwundbar, ausgeliefert und lässt sich missbrauchen für solche Entscheidungen, deren Hintergründe sie nicht sieht.“

Liszkai forderte in der Asylpolitik mehr Weisheit und Besonnenheit. Sollte die ungarische Gesellschaft die Verantwortung allein der Politik überlassen, „dann spricht sie über sich selbst ein Urteil“, so der Pfarrer. Derzeit mangle es am angemessenen Verständnis, an Moral und am Gewissen der Gesellschaft, rief der Geistliche zu Selbstkritik auf.

„Sie sind da“

„Es wäre äußerst bequem, wenn es hier keine Flüchtlinge gäbe - aber sie sind da“, sagte Liszkai weiter. Die politische Führung wolle vielleicht nur der Gesellschaft dabei helfen, sich nicht mit unangenehmen Fragen beschäftigen zu müssen. „Das hat aber einen Preis“, warnte der Pfarrer vor wachsender Ausrichtung an Vorurteilen, Aggression und dem Verweigern von Mitverantwortung.

Zum Schluss der Kundgebung marschierten die Demonstranten durch die Hauptstraße des Dorfes zur Grenze, wo sie zehn Meter vor dem Grenzzaun vor dem Polizistenspalier die zuletzt in Ungarn ständig verschärften Regierungsmaßnahmen gegen Migranten in chronologischer Reihenfolge verlasen.

„Muslime können Christentum auch stärken“

Bereits im vergangenen September hatte sich Pfarrer Liszkai in einem offenen Brief zur Asyl- und Migrationspolitik in seiner Heimat geäußert. Er kritisierte darin, dass viele Ungarn die etwaige Aufnahme von Muslimen mit der Begründung ablehnten, dass Ungarn ja ein christliches Land sei.

Dem hielt der Geistliche entgegen, viel gefährlicher für die religiöse Prägung der Menschen sei eine gegenüber Gott gleichgültige, agnostisch-hedonistische Gesellschaft. Eine andersgläubige Minderheit könne dagegen für ein Volk mit drohendem religiösem und kulturellen Identitätsverlust möglicherweise sogar eine Stärkung bedeuten.

Flüchtlingslager Röszke

Röszke war als Erstaufnahmezentrum für Flüchtlinge, die über Serbien einreisten, im Sommer 2015 weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Die Regierung unter Viktor Orban ließ einen Grenzzaun errichten, beim Auffanglager kam es zu massiven Polizeieinsätzen gegen Flüchtlinge, die sich weigerten, registriert zu werden. Im Lager kam es zu katastrophalen sanitären und humanitären Zuständen, die auch zum Engagement österreichischer NGOs führten.

religion.ORF.at/KAP

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