Maria Theresia und der Glaube

In Bezug auf Religiosität und Kirche ist Maria Theresia „Vorreiterin und Nachzüglerin zugleich“ gewesen, so der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber in einem Interview für die Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ (Ausgabe 14. Mai).

Die Kirchengeschichtsschreibung habe sich mit der am 13. Mai vor 300 Jahren geborenen Habsburgerregentin „nie sehr leicht getan, denn sie war in vielen Punkten ambivalent“, wie Klieber erklärte. Maria Theresia sei fernab jeder Heuchelei persönlich sehr spirituell orientiert gewesen. Das habe sie aber nicht davon abgehalten, ähnliche Weichenstellungen wie später ihr Sohn, Joseph II., vorzunehmen, der im Zuge des Josephinismus „ohne Rücksicht auf kirchliche Befindlichkeiten massiv in das religiöse Leben und die Organisation der Kirche wie der Orden eingegriffen“ habe.

Starke Eingriffe in kirchliche Angelegenheiten

Als „von Gottes Gnaden“ regierende Monarchin habe die Herrscherin ihre Pflicht darin gesehen, innerkirchliche Dinge zu ordnen, ohne dabei auf Widerstände der römischen Kurie zu achten, so Klieber. Maria Theresia habe vieles eingeleitet, was Joseph II. in voller Tragweite umsetzte. Sie regelte die Ausbildung der Kleriker neu, lieferte außerdem Ansätze für Pfarrstrukturen und griff reglementierend ins Ordenswesen ein, erinnerte der Kirchenhistoriker.

Maria Theresia, Gemälde von Martin van Meytens, um 1752

Public Domain

Maria Theresia, Gemälde von Martin van Meytens, um 1752

Gemäß einem religiös definierten Herrscherverständnis hätten sich gerade die Habsburger als die große katholische Vormacht in Zentraleuropa betrachtet und als von Gott dazu bestimmt, zum Heil ihrer Untertanen zu regieren: „Sie sahen sich verpflichtet, die ‚eine, wahre Kirche‘ zur Geltung zu bringen, durch Akte der äußeren Religionsausübung, aber auch gewaltbehördliche Maßnahmen, die die Glaubenseinheit garantieren sollten.“

Punkto Protestanten „keine Vorreiterin“

Beim Umgang mit den Protestanten „war Maria Theresia wohl keine Vorreiterin“, so Klieber. Sie sei überzeugt gewesen, dass die römisch-katholische die „allein seligmachende“ Religion ist, gab den Anstoß zu Schulungs- und Missionszentren und setzte sich für eine verbesserte Seelsorge ein.

Es habe aber auch Zwangsumsiedlungen von Protestanten vor allem nach Siebenbürgen gegeben - entgegen dem Einwand von einigen Beratern der Monarchin, „dass es dem Staatswohl nicht zuträglich sei, so viele tüchtige Leute zu vertreiben“. Diese Kritik habe sie übergangen, „Maria Theresia lag ein religiös einheitlicher Staat am Herzen“.

Juden „unter Generalverdacht“

Auch Juden seien zur Zeit Maria Theresias - wie auch schon davor - unter dem Generalverdacht gestanden, „die wahre Religion herabzuwürdigen und Christen schaden zu wollen“, nahm Klieber Bezug auf die Vertreibung der großen jüdischen Gemeinde aus Prag, kurz bevor unter Joseph II. die ersten Toleranzpatente definiert wurden.

In manchem war Maria Theresia nach Einschätzung des Wiener Theologen jedoch eine „Wegbereiterin der Moderne“. Sie habe in den Kirchen mehr Wert auf den Volksgesang gelegt: Unter ihr wurde ein Kirchengesangsbuch eingeführt, das Lieder wie „Großer Gott, wir loben dich“ beinhaltete. Kleriker wurden „auf eine alltagsbezogene Seelsorge verpflichtet“, so Klieber weiter. „Insgesamt zeigt sich, dass Maria Theresia einen gewissen katholischen Schlendrian beenden wollte: Sie reduzierte beispielsweise die Feiertage um die Hälfte und beschränkte die Wallfahrten.“

Kliebers Resümee: Maria Theresia „war stark in der Tradition verwurzelt, gleichzeitig teilte sie moderne, kritische Ansichten über die überkommene Religiosität, vor allem die Überfülle barocker Ausdrucksformen“.

„Intolerante Landesmutter“

Eine kritische Sichtweise Maria Theresias stellte unter dem Titel „Die intolerante Landesmutter“ auch Heinz Niederleitner von der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen dar. Vieles, was über sie gesagt wird, sei „vom Zuckerguss des Mythos überzogen“. Gegenüber Andersgläubigen wie den Juden in Prag habe Maria Theresia zu Mitteln gegriffen, „die nicht nur in der heutigen Zeit indiskutabel sind“ und schon zu ihrer Zeit von Aufklärern kritisiert worden seien.

Pfingstornat aus dem Kloster der Englischen Fräulein in St. Pölten (1740er Jahre)

Stift Klosterneuburg, Thomas Gorisek/Farbpraxis

Pfingstornat Maria Theresias

Niederleitner erinnert an eine Kritik der Monarchin an ihrem Sohn und Mitregenten Joseph II., der religiöse Vielfalt nicht von vornherein als Übel für den Staat ansah: „Wollt Ihr durchgehen lassen, dass jeder sich seine eigene Religion macht, ganz nach seiner Phantasie? Kein fester Kult, keine Unterwerfung unter die Kirche - wohin kämen wir da?“, so das überlieferte Argument Maria Theresias. Überzogene Toleranz werde den Staat zugrunde richten und Seelen ins Verderben führen, so ihre Befürchtung.

Griff zu harten Mitteln

„Offenbar entsetzt darüber, wie wenig tief die Gegenreformation in manchen Gebieten gewirkt hatte, griff die Herrscherin dort, wo Mission nichts brachte, zu harten Mitteln“, heißt es weiter: Umerziehung in Konversionshäusern und Deportationen „sollten eine Einheit im Glauben erzeugen, die es im Habsburgerreich freilich nie gab“.

Dabei seien, wie die Kooperationsredaktion der Kirchenzeitungen darlegte, auch Kinder ihren Eltern weggenommen worden, Heimatvertriebene aus unteren Schichten seien auf den Märschen oder vor Ort umgekommen, auf den Adel sei eher sozialer Druck in Richtung Konversion ausgeübt worden. Für die Kaiserin, deren eigene Mutter aus dem evangelischen Haus Braunschweig-Wolfenbüttel stammte und vor der Heirat zur Konversion gedrängt werden musste, „war der Übertritt zum Katholizismus der einzig akzeptable Weg“.

religion.ORF.at/KAP

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