IKG fordert Konsequenzen für Antisemitismus

Nach der Enthüllung menschenverachtender Haltungen bei einigen Funktionären der ÖH-Fraktion AktionsGemeinschaft (AG) sieht der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Oskar Deutsch dringenden Handlungsbedarf.

„Die Empörung ist schnell artikuliert. Jetzt müssen wir das Problem benennen, Ursachen analysieren und bekämpfen: Antisemitismus im akademischen Betrieb“, schrieb die IKG in einer Aussendung vom Mittwoch.

Die Wochenzeitung „Falter“ hatte am 10. Mai einen Artikel veröffentlicht, demzufolge sich mehrere Funktionäre der ÖVP-nahen AG am Wiener Juridicum über den Holocaust, das NS-Regime, Menschen mit Behinderungen und andere Minderheiten lustig gemacht haben sollen. Die AG stellt sich von 16. bis 18. Mai den Wahlen zur Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH).

IKG-Präsident Oskar Deutsch, am Montag, 13. April 2015, anl. der Veranstaltung der IKG und der ÖBB zum Thema "Gedenken zum Jom Haschoa" in Wien

APA/Helmut Fohringer

IKG-Präsident Oskar Deutsch

„Kein schwarzer Humor“

Die IKG unterstützt die Prüfung rechtlicher Schritte gegen beteiligte Funktionäre durch die Jüdischen österreichischen Hochschüler. „Antisemitische Witze sind kein schwarzer Humor“, kritisierte Deutsch eine Stellungnahme der AG Jus und warnt davor, die Postings zu Kavaliersdelikten zu erklären. AG und Junge ÖVP sowie das Juridicum der Uni Wien seien gefordert, Konsequenzen zu ziehen, die über Ausschlüsse hinausgehen. Aufklärung könne ein Bestandteil dieser Konsequenzen sein.

„Die Unterlagen zeigen eine unerträgliche Verhöhnung der NS-Opfer“, sagte Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ). Während Österreich der Befreiung von der braunen Schreckensherrschaft gedenke, „ziehen einige Studenten, die später als Richter, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte tätig sein sollen, Millionen Tote in den Dreck“. „Das ist unerträglich und muss massive Konsequenzen haben“, forderte Mernyi.

Geschmacklosigkeit oder Gesinnung

Ob die Akteure hier vor allem extrem geschmacklose Sprüche am digitalen Stammtisch geklopft oder tatsächlich ihre antisemitische Gesinnung ausgedrückt hätten, sei aus der Ferne und auf Basis von dem wenigen Material nur schwer zu sagen, sagte der Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Bernhard Weidinger, zur APA. Jedenfalls zeuge es von einem „sehr unterentwickelten Sensorium, was Zeitgeschichte und die NS-Verbrechen sowie den Umgang damit betrifft“.

Es stelle sich jedenfalls die Frage, ob solche Personen geeignet seien, Positionen im Rechtssystem zu übernehmen, das nicht zuletzt dem Schutz diskriminierter Gruppen diene, so Weidinger. Bisher sei die AG nicht als antisemitisch aufgefallen.

Information unerlässlich

„Eine Konsequenz, die wir ziehen wollen, ist die Ausdehnung des Projekts ,Likrat’ von Schulen auf Universitäten“, kündigte Deutsch an. Im Rahmen des Begegnungsprogramms „Likrat“ („aufeinander zugehen“ oder „in Begegnung“ auf Hebräisch) besuchen jüdische Jugendliche Schulklassen in ganz Österreich, stellen sich vor und diskutieren mit Gleichaltrigen über Judentum, über Israel und ihre persönlichen Biografien.

„Dieses Programm wollen wir nun auch auf Studentenorganisationen ausweiten.“ Dadurch sollen stereotype Wahrnehmungen durchbrochen, antisemitischen Ressentiments entgegengetreten sowie ein gegenwartsbezogenes Judentum vermittelt werden, so die Aussendung. „Wären die Akteure vom Juridicum in ihrer Schulzeit mit ,Likrat’ konfrontiert gewesen, hätten sie sich vielleicht anders verhalten“, so Deutsch.

Empörung groß

Bini Guttmann, Kopräsident der Jüdischen österreichische HochschülerInnen zeigte sich bestürzt. „So etwas Schockierendes und Widerwärtiges ist mir auf Österreichs Hochschulen – und gerade von hochrangigen StudierendenvertreterInnen - noch nie begegnet. Es zeigt einmal mehr, wie weit verbreitet antisemitische Ressentiments auch in der Mitte der österreichischen Gesellschaft immer noch sind, und macht deutlich, dass der Kampf gegen Judenhass weiterhin unsere Kernkompetenz bleiben muss“, so Guttmann.

In der AG selbst ist man empört: „Es ist eine Frechheit, dass es innerhalb der AG Jus eine geheime Facebookgruppe gibt, die derart menschenverachtende Inhalte postet“, sagte Sprecher Valentin Petritsch. „Das ist mit den Werten der AG in keiner Weise vereinbar, und wir fordern deshalb auch den sofortigen Austritt aller, die sich an solchen Inhalten beteiligt haben.“

religion.ORF.at

Links: