Stephansdom: Männer verhüllt, Frauen im Rampenlicht

Seit Donnerstagabend sind die männlichen Heiligenfiguren im Wiener Stephansdom mit halbtransparenten Tüchern verhüllt, Frauen hingegen werden mittels Lichtinszenierung visuell hervorgehoben. Dahinter steckt die Künstlerin Victoria Coeln.

Das als Trilogie angelegte Kunstprojekt „Verhüllungen“ von Coeln ist in seiner abschließende Phase und birgt erneut einen gesellschaftspolitischen, diesmal feministischen Anknüpfungspunkt. Der dritte Teil zum Thema Geschlecht wurde am Donnerstagabend von der bekannten Lichtkünstlerin und dem Wiener Dompfarrer Toni Faber eröffnet.

Männer verhüllt, Frauen hervorgehoben

Nach Coelns Anspielungen auf das Thema Flüchtlinge, als sie in der Fastenzeit 37 Heiligenfiguren im Dom mit Rettungsdecken aus Folie umwickelte, verhüllte sie nunmehr männliche Säulenheilige mit Tüchern, weibliche Statuen und Mariendarstellungen werden mittels Lichtinszenierung visuell hervorgehoben.

Verhüllte Heiligenfiguren im Stephansdom

Kathpress/Paul Wuthe

Nur die männlichen Heiligenfiguren wurden verhüllt

Die Absicht dahinter sei eine „künstlerische Korrektur an den gesellschaftlich vorherrschenden Geschlechterverhältnissen“, heißt es in einer Information der Dompfarre St. Stephan. Zusätzlich lässt Coeln Philosophinnen, Pazifistinnen und Aktivistinnen aus jüngerer Zeit, die aus dem Nahen Osten oder anderen Herkunftsländern der weiblichen Heiligen stammen, mithilfe von Textprojektionen zu Wort kommen.

Anspielung auf Iran

Die Frauenstatuen im „Rampenlicht“ und verhüllten Männer sollen zugleich an eine Aktion religionskritischer Paare aus dem Iran anknüpfen, die im vergangenen Sommer in den sozialen Medien für Aufsehen sorgten: Auf den dort verbreiteten Fotos trugen Männer den Hijab ihrer Frauen, diese wiederum waren ohne die von den iranischen Sittenwächtern vorgeschriebenen Kopfbedeckungen abgebildet.

Dompfarrer Faber erklärte zum Verhüllungsprojekt im Stephansdom, die dort gezeigten zeitgenössischen Kunstinterventionen bezeugten die „Lebensnähe der Kirche und ihren Anspruch, dem Leben in seinen vielfältigen Formen zu dienen“. Mit Coelns Werk werde ein aktuelles Problemfeld „gerade auf dem Boden unseres jüdisch-christlichen Menschenbildes hervorragend in der ersten Pfarrkirche Österreichs bearbeitet“.

Lange Nacht der Kirchen

Die 1962 in Wien geborene Victoria Coeln arbeitete bereits mehrfach im kirchlichen Kontext, etwa mit ihrer Lichtintervention „Chromotopia Mariendom“ in der Linzer Bischofskirche im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“. Dabei und auch in anderen Projekten arbeitet sie mit Licht, Farben und Raum. Bekannt ist die Künstlerin vornehmlich für ihre groß dimensionierten und begehbaren Lichtinterventionen im öffentlichen Raum.

Auch heuer wird Victoria Coeln wieder in der „Langen Nacht der Kirchen“ präsent sein. Ihre aktuelle Arbeiten wird am 9. Juni von 6 bis 0:30 Uhr im Stephansdom zu sehen sein. Die Künstlerin bietet auch Sondervorführungen außerhalb der Langen Nacht der Kirchen an.

religion.ORF.at/KAP

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