Romero-Preisträgerin Maria Schiestl gestorben

Die Zillertaler Ärztin Maria Schiestl ist am Sonntag, 21. Mai, in Nairobi an den Folgen einer Gehirnblutung verstorben. Bekannt war sie für ihren jahrelangen Einsatz bei den Loita-Massai in Kenia.

Maria Schiestl leitete seit Jahren das von ihr maßgeblich entwickelte Krankenhaus Entasekera in Kenia im Land der Loita-Massai. „Ihre leidenschaftliche Menschenliebe, ihr stetes Bemühen um eine verbesserte medizinische Versorgung im Massai-Land, ihr höchst persönlicher Einsatz im Klinik-Alltag und ihr Bemühen um eine nachhaltige Lösung ihres Lebenswerkes werden in Erinnerung bleiben“, so die Diözese Innsbruck in einer Aussendung.

Maria Schiestl

ORF/Marcus Marschalek

In der männerdominierten Massai-Gesellschaft waren Maria Schiestl die Frauen ein besonderes Anliegen

„Europäisches Denken nicht überstülpen“

Im Gespräch mit religion.ORF.at im Herbst 2016 erzählte Maria Schiestl über ihr Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit und dass man nicht den Fehler machen darf, europäisches Denken über andere Kulturen zu stülpen: „Viele Entwicklungsprojekte scheitern, weil man einen europäischen Zeitrahmen fixiert und versucht alles so durchzuziehen, wie es europäischem Denken entspricht.“ Nach Ablauf der Projektzeit gingen dann die Projektpartner aus Europa weg. „Und wenn man nach ein paar Jahren wieder einmal hinschaut, dann ist alles kollabiert. Mein Traum war es, dass ich es anders mache.“

Es anders machen, sich auf die Massai-Kultur einlassen, die Menschen mit ihrer Tradition, ihren Techniken und Fähigkeiten ernst nehmen, das wollte Maria Schiestl von Anfang an. Seit 1979 war sie den Massai in Kenia verbunden. Zuerst als Lehrerin einer Secondary School und nach dem Medizinstudium in Österreich auch als Ärztin. Doch das Unterdrücken von Frauen in der von Männern dominierten Massai-Kultur wollte sie nicht hinnehmen: „In einer männerdominierten Gesellschaft, habe ich zu Beginn geglaubt, muss man mit den Männern arbeiten um etwas zu bewegen und verändern zu können. Irgendwann hatte ich die Erkenntnis: Nein, man muss mit den Frauen arbeiten“, so Schiestl.

Maria Schiestl

ORF/Marcus Marschalek

Regelmäßig besuchte Maria Schiestl mit ihrem Team auch entlegene Massai-Siedlungen

„Entschiedenheit und Eifer“

Der Innsbrucker Diözesanadministrator Jakob Bürgler erinnert an den Lebensweg von Maria Schiestl: „Mit Entschiedenheit und Eifer hat Maria Schiestl ihren Kindheitstraum verwirklicht. Was zuerst unmöglich war - Schiestl musste als junge Frau zunächst für die Geschwister sorgen, dann aus finanziellen Gründen den Lehrerinnenberuf ergreifen, studierte erst dann nebenberuflich Medizin - konnte sie mit Treue und Durchhaltevermögen in die Tat umsetzen. Gute Dinge können nur mit innerer und nachhaltiger Dynamik wachsen.“

Bürgler weiter: „Maria Schiestl war eine mutige Frau. Sie wagte es, in die Armut ‚einzusteigen‘. Es gehörte eine ordentliche Portion Mut dazu, ‚alles auf eine Karte‘ zu setzen. Mutige Menschen machen Mut. Durch ihr Engagement und ihre konkrete soziale Arbeit konnte das Herz von Tirol bis nach Afrika schlagen.“

Maria Schiestl erhielt zahlreiche Auszeichnungen für ihr Engagement. Darunter waren das große Ehrenzeichen der Caritas, im Jahr 2016 erhielt sie von der Katholischen Männerbewegung den Oscar-Romero-Preis, das Land Tirol ehrte sie mit dem Verdienstkreuz.

Bericht über Maria Schiestl im ORF-Religionsmagazin „Orientierung“ (Herbst 2016)

„Ziel: Nicht mehr gebraucht werden“

Bereits vor einiger Zeit hatte Schiestl begonnen, leitende Funktionen in ihrem Projekt nach und nach an das gut eingespieltes Team Einheimischer in Entesekera zu übergeben. „Mein Ziel ist es, hier nicht mehr gebraucht zu werden“, so Schiestel im Interview mit dem ORF-Religionsmagazin „Orientierung“.

Sorgen machte sie sich aber um die Finanzierung. Rund 4.000 Euro monatlich musste sie in den vergangen Jahren für Gehälter und Betriebskosten des Spitals durch Spenden auftreiben. Eine große Herausforderung, wie sie immer wieder betonte, bei der sie von den Aktionen „Bruder und Schwester in Not“ der Diözese Innsbruck, von „Sei so frei“, und von „Sterntaler“ im Zillertal sowie vielen Privatpersonen unterstützt wurde. Das Spendensammeln war eine Aufgabe, der sie sich noch in den nächsten Jahren, nach ihrer Rückkehr aus Kenia hätte widmen wollen.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

Links:

Info:

Spenden für das Krankenhaus in Entasekera können auf folgendes Konto gemacht werden:
SEI SO FREI – Kath. Männerbewegung
Raiffeisenverband
AT10 3500 0000 0001 4100
Spendenzweck: Dr. Schiestl / Entasekera