Moscheegründerin Ates weist Gülen-Vorwürfe zurück

Rund um eine neue liberale Moschee in Berlin hat sich nun die türkische Religionsbehörde Diyanet eingeschaltet: Sie bezichtigt die Betreiber, Teil eines Projekts der Gülen-Bewegung zu sein. Die Initiatorin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates, weist das scharf zurück.

Diyanet brachte die am Freitag eröffnete liberale Moschee in Verbindung mit der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. „Es ist offensichtlich, dass das ein Projekt des Religionsumbaus ist, das seit Jahren unter der Federführung von Fetö und ähnlichen unheilvollen Organisationen durchgeführt wird“, teilte Diyanet mit. Die von der Türkei offiziell als Fetö bezeichnete Gülen-Bewegung wird von der Regierung in Ankara für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich gemacht und als Terrororganisation eingestuft.

Seyran Ates in der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee

APA/AFP/John MacDougall

Seyran Ates (re. im Vordergrund) weist Vorwürfe zurück, Teil eines Projekts der Gülen-Bewegung zu sein

„Haben mit denen Null zu tun“

Die Berliner Frauenrechtlerin Ates, auf deren Initiative die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee zurückgeht, wies jede Verbindung zur Gülen-Bewegung zurück. „Wir haben mit denen Null zu tun“, sagte Ates der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. „Wir sind denen viel zu progressiv, viel zu liberal." Zu einem türkischen Medienbericht, der die Moschee ebenfalls in Verbindung zur Gülen-Bewegung gebracht hatte, sagte Ates: "Das sind Nachrichten, die mich zur Zielscheibe machen, indem sie mich zur Terroristin erklären.“

Imamin unter Polizeischutz

Nach eigenen Angaben stand Ates schon vor der Moschee-Eröffnung wegen ihrer Tätigkeit als Anwältin unter Polizeischutz. Sie sagte am Mittwoch, sie werde nach wie vor vom Landeskriminalamt beschützt. „Jetzt erst recht.“ Sie wünsche sich, „dass die Muslime gegen den islamistischen Terror einstehen und das friedliche Gesicht des Islams zeigen". Sie fügte hinzu: "Wir sind jetzt für die friedliche Seite unserer Religion in Aktion getreten, weil wir es nicht mehr den Konservativen, den Orthodoxen und Radikalen überlassen dürfen.“

Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verurteilte die Vorwürfe der Türkei gegen die Moschee. „Die Angriffe aus der türkischen Regierung auf die von Seyran Ates gegründete liberale Moschee in Berlin sind unerträglich“, sagte der SPD-Vorsitzende dem Berliner „Tagesspiegel“. Im Islam gebe es unterschiedliche Strömungen - genau wie im Christen- oder Judentum. Für jede dieser Strömungen gelte die Religionsfreiheit. „Das ist in Deutschland selbstverständlich. Und das sollte es auch in allen anderen Ländern sein“, so Schulz.

Morddrohungen

Der Vorsitzende der Gülen-nahen Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun, hatte sich bereits zuvor von der Moschee distanziert. Karakoyun sagte, er habe Morddrohungen erhalten, nachdem ihn ein türkischer Fernsehsender fälschlicherweise mit dem Projekt von Ates in Verbindung gebracht habe. Ates sagte über Karakoyun: „Der Arme, ich eröffne eine Moschee, und er muss jetzt mit Morddrohungen leben.“

Gebet in der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee

APA/AFP/John MacDougall

Frauen und Männer gemeinsam im Gebet in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee

In der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee beten Männer und Frauen nebeneinander. Das Gotteshaus steht Sunniten, Schiiten und Aleviten offen. Das erste Freitagsgebet leiteten ein Mann und eine Frau gemeinsam. Die Imamin trug kein Kopftuch.

„Grundsätze unserer erhabenen Religion missachtet“

Diyanet kritisierte, mit diesem Vorgehen würden „die Grundsätze unserer erhabenen Religion missachtet“. Es handele sich um Bemühungen, die Religion „zu untergraben und zu zerstören“. Die Behörde rief „gläubige Brüder“ auf, sich nicht provozieren zu lassen. Diyanet untersteht dem Amt des Ministerpräsidenten in der Türkei.

Auch die oberste Fatwa-Behörde in Ägypten, Dar al-Iftaa, kritisierte die Moschee. „Nein zu liberalen Moscheen“, teilte Dar al-Iftaa auf Facebook mit. „Frauen können nicht in einer Reihe neben Männern beten. Frauen ist es nicht erlaubt, ohne Schleier zu beten. Frauen ist es nicht gestattet, Imam zu sein, wenn dort Männer beten.“

religion.ORF.at/dpa

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